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Medien: Von Masken und Menschen

Eine Reality-Serie aus den USA schminkt Schwarze weiß und Weiße schwarz

Fast könnte man auf die Idee kommen, beim amerikanischen Reality-TV handelt es sich um ein einziges großes Soziallaboratorium. Da werden Ehefrauen und Leben getauscht, Kindermädchen eingeflogen, um den Nachwuchs zu disziplinieren und wenn gar nichts mehr geht, kommt „Dr. Phil“ mit seiner Psycho-Couch ins Haus. Neueste Variante des Genres ist die gerade angelaufene Serie „Black. White.“, in der sich eine schwarze Familie weiß und eine weiße Familie schwarz schminken lässt, um so in der Haut der jeweils anderen den Alltag zu erleben.

Neu ist die Idee, so den alltäglichen Rassismus zu entlarven und ad absurdum zu führen, wahrlich nicht. Bereits Ende der 50er Jahre machte sich der weiße Journalist John Howard Griffin auf eine Reise durch die amerikanischen Südstaaten – mit medizinisch gedunkelter Haut und Notizblock, um von seinen Erlebnissen als „Schwarzer“ zu berichten. „Black Like Me“ gehört bis heute zu den Pflichtwerken in öffentlichen Bibliotheken und Schulbüchereien. Auch Hollywood nahm sich ab da hin und wieder des Rollenspiels mit der Hautfarbe an, nun also produzierten Dokumentarfilmer R. J. Cutler („War Room“) und Rapper Ice Cube die sechsteilige Folge für den Kabelsender Fox FX.

In Tarzana, Kalifornien, teilen sich die (schwarze) Familie Sparks aus Atlanta und die (weiße) Familie Wurgel aus Santa Barbara eine TV-Bleibe. Täglich werden sie von Maskenbildnern drei Stunden lang verwandelt. Danach sehen die Sparks, das sind Brian, seine Frau Renee und ihr 17-jähriger Sohn Nick, aus wie typische Bewohner eines weißen Mittelklasse-Vorortes. Bruno, Carmen und ihre Tochter Rose Wurgel werden verdunkelt. Dann beginnt das Abenteuer. Carmen und Rose etwa machen sich auf Jobsuche in diversen Bekleidungsgeschäften, werden aber stets abgespeist mit der Begründung, der Manager sei nicht da oder die Bewerbungsformulare gerade ausgegangen. Brian dagegen erfährt, dass er in einem Geschäft für Golfbekleidung nicht nur zuvorkommend behandelt wird, sondern ihm der Verkäufer sogar die gewünschten Schuhe anzieht. Was ihn ganz fassungslos macht, denn sonst bekommt er stets nur den Karton gereicht, muss sich die Schuhe aber selber über die Füße streifen. Er sieht darin einen Beweis für den täglichen Rassismus, der noch immer im Land herrsche: „Das ist mir in 40 Jahren als Schwarzer noch nie passiert“, sagt er, „aber wenn ich das erste Mal als Weißer gehe, machen sie es.“

Bruno dagegen, im richtigen Leben Lehrer, hält Diskriminierung für ein Gerücht. Wenn man freundlich sei, so seine These, dann sind die Leute auch freundlich zu einem – ganz egal, welche Farbe die Haut hat. Brian wirft er vor, Geister zu erkennen, wo keine sind: „Du siehst, was du sehen willst.“ Der faucht zurück: „Und du siehst nicht, was du nicht sehen willst.“ Natürlich lebt die Serie von solchen Zwistigkeiten, dabei nimmt sie jedoch das eigentliche Problem des Rassismus nie richtig ernst. So hakt niemand nach, ob die Manager tatsächlich nicht da sind, um mit den Arbeitssuchenden zu sprechen, oder ob sie sie nur abwimmeln, um dann den nächsten (weißen) Bewerber zu empfangen. Außerdem verfallen die Produzenten der Versuchung, im Zusammenschnitt die spektakulärsten Szenen gnadenlos auszuschlachten. So blamieren sich etwa die Wurgels bis auf die Knochen, als sie darauf bestehen, zum sonntäglichen Gottesdienst traditionelle afrikanische Gewänder zu tragen. Niemand tue das, faucht Renee. Man wird das Gefühl nicht los, die sich selbst für so liberal haltenden Kalifornier verstehen das alles nur als eine große Maskerade. Carmen tritt dabei in das größte Fettnäpfchen, als sie sich in schwarzem Getto-Slang versucht und Renee mit „Yo bitch“ anredet, was sich am ehesten als „na, du alte Hexe“ übersetzen lässt.

Bei den Zuschauern kommt „Black.White“ gut an, die erste Folge sahen über fünf Millionen, eine für das amerikanische Kabelfernsehen hervorragende Quote. Auch die nächsten beiden Folgen hielten sich bei über vier Millionen. Die Kritiker sind derweil gespalten. Während die einen das neue Stück Real-Fernsehen als einen wichtigen Beitrag zur Volksbildung verstehen, sehen die anderen hohle Sensationshascherei. So schrieb der TV-Kritiker der Tageszeitung „USA Today“: „Wenn etwas Hirnverbranntes wie ‚Black.White.‘ heutzutage als Dialog zwischen den Rassen durchgeht, dann wären wir alle besser dran, wenn Fernsehen uns dazu anhalten würde, weniger zu reden und uns besser zu benehmen. Dafür braucht man auch kein einziges bisschen Make-up.“

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