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Medien: Vorsicht! Werbung: Weltuntergang

Die deutsche Wirtschaft ist am Ende. Allerorten nagen Unternehmen am Hungertuch, und in Millionen Haushalten ist Schmalhans Küchenmeister.

Die deutsche Wirtschaft ist am Ende. Allerorten nagen Unternehmen am Hungertuch, und in Millionen Haushalten ist Schmalhans Küchenmeister. So jedenfalls wird sie dargestellt, die Lage der Nation. Von den Medien, von Frau Inge, der betuchten Rentnerin in meiner Stammkneipe. Und von der Opposition. Hier vor allem von Edmund Stoiber. Das alles ist nur zu normal.

Überraschend hingegen ist das Wehgeschrei in der Werbebranche. Agenturen, Filmproduktionen, Fotostudios, Internetdesigner, Druckereien und so weiter bilden einen Chor, der die Passion der deutschen Reklame besingt. Die Branche hat tatsächlich acht harte Monate hinter sich, auf die noch einmal acht folgen werden. Aber statt sich ein Beispiel an den deutschen Autobauern zu nehmen, verfällt sie in Panik.

Bis Mitte der Achtziger konnte die Kfz-Industrie fast so gut jammern wie die Landwirtschaft. Weil das nichts half, tat sie das einzig Richtige: Sie konstruierte bessere Autos. Die Werbung aber macht das genaue Gegenteil. Angetrieben von verunsicherten Auftraggebern basteln die Werbeagenturen so genannte Sicherheitskampagnen: Keine Ecken, keine Kanten und Humor schon gar nicht. Davon nach Möglichkeit drei bis vier zur Auswahl, damit der Kunde noch konfuser wird. Der vertagt seine Entscheidung aufs nächste Jahr, weil der Etat zusammengestrichen wurde.

Damit treffen zwei elementare Fehler aufeinander: Angst vor dem Mut und falsche Sparsamkeit. Dabei ist gerade die Krise eine gewaltige Chance. Wer in die Weltuntergangsstimmung hinein den Verbrauchern eine intelligente und fröhliche Kampagne serviert, hat gewonnen. Das ist wie in einem Büroviertel, das vergammelt, weil die Besitzer der Immobilien kein Geld für Reparaturen und Renovierungsarbeiten haben. Wer jetzt ausbricht und den Bau herausputzt, ist König. In einem Jahr, wenn wieder mehr Geld unter den Leuten ist, rennen ihm die Mieter die Bude ein.

Reinhard Siemes

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