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© dpa

Wahlkampfversprechen: US-Särge dürfen wieder gezeigt werden

Das Pentagon will künftig wieder Bilder von Kriegssärgen zulassen. Die Angehörigen dürfen jetzt darüber entscheiden, ob die Medien dabei sein dürfen oder nicht.

Gut fünf Wochen nach Amtsantritt hat Präsident Barack Obama das Verbot aufheben lassen, Särge Gefallener bei der Ankunft in den USA zu fotografieren. Es war ein Wahlkampfversprechen. Das wird jedoch nicht automatisch zur Folge haben, dass die Zeremonie auf dem Luftwaffenstützpunkt Dover in Delaware künftig vor laufenden Kameras abläuft. Verteidigungsminister Bob Gates verfügte, die Angehörigen sollten entscheiden, ob die Medien im jeweiligen Fall dabei sein dürften oder nicht. Über Dover kehren Soldaten, die im Ausland sterben, in die USA zurück, ehe sie an ihre Heimatorte überführt werden oder auf den Nationalen Friedhof Arlington nahe Washington; jedes Mitglied der Streitkräfte hat Anspruch auf ein Begräbnis dort.

Der Änderung wird in den USA hohe Symbolkraft beigemessen, obwohl unklar ist, ob sich die Praxis überhaupt ändert. Die emotionale Debatte hatte sich im Zuge der Auseinandersetzung um den Irakkrieg von den Fakten und der Entstehung des Fotoverbots in Dover gelöst. In Teilen der USA und im Ausland entstand der Eindruck, George W. Bush habe die Kameras ausgesperrt, um die wahren Kosten des Irakkriegs zu verschleiern.

Tatsächlich ist die Politik, die Bilder heimkehrender Särge zu beschränken, 18 Jahre alt. Sowohl Präsidenten der republikanischen als auch der demokratischen Partei haben es praktiziert. Verhängt hatte es Präsident Bush senior im Februar 1991 zu Beginn des Golfkriegs zur Befreiung Kuwaits. Auslöser war eine Erfahrung während der US-Invasion von Panama zum Sturz des Diktators Noriega 1989. Damals hatten Fernsehstationen auf einem gespaltenen Bildschirm auf der einen Seite eine Pressekonferenz Bushs übertragen und parallel auf der anderen, wie in Dover Särge, die mit einer US-Flagge bedeckt sind, aus einer Militärmaschine ausgeladen werden. Bush machte einen Scherz, was in amerikanischen Pressekonferenzen häufig vorkommt, aber im Kontext der parallelen Bilder von Särgen fehl am Platz wirkte.

Bilder Gefallener können große politische Wirkung erzielen, negative wie positive. Im Vietnamkrieg, als das Ausladen aus den Transportmaschinen „fast wie eine Arbeit am Fließband anmutete“, wie die „Washington Post“ jetzt schrieb, beschleunigten sie die Kriegsmüdigkeit. Präsidenten beider Lager haben solche Bilder in gezielten Ausnahmen von der „Kein Foto“-Politik auch benutzt, um die Toten als Helden zu feiern, den Patriotismus zu stärken und Zustimmung zu gewinnen. Bill Clinton ließ 2000 Bilder von Särgen mit Opfern des islamistischen Anschlags auf das Kriegsschiff „Cole“ in Jemen verteilen. Unter George W. Bush verbreitete die Air Force 2001 Fotos von der Ankunft eines Sarges in Dover mit einem Opfer des Terrorangriffs an 9/11 auf das Pentagon.

Die häufige Behauptung, der Soldatentod solle zum Tabu gemacht oder die Öffentlichkeit über die Zahl der Toten im Unklaren gelassen werden, ist für die USA offenkundig falsch. Alle paar Tage veröffentlichen die großen Tageszeitungen die Zahl der im Irak und in Afghanistan Gefallenen. Mindestens einmal pro Monat präsentieren sie die Toten mit Foto und persönlichen Angaben auf einer Doppelseite „Faces of the Fallen“. Soeben lief im populären Spielfilmkanal HBO zur besten Sendezeit der Film „Taking Chance“ über die Überführung eines im Irak gefallenen Soldaten. In Amerika symbolisieren die Toten, anders als in Deutschland, nicht nur das Leid des Krieges, sondern auch den Stolz auf das eigene Land und die Opferbereitschaft.

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