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© ddp

Walter Johannsen, ARD: "Wir sind ja nicht blauäugig"

ARD-Teamchef Walter Johannsen zu den Doping-Vorwürfen in der Leichtathletik.

Die am Samstag startende Leichtathletik-WM ist auch für die übertragenden Fernsehsender das Ereignis des Jahres (siehe Kasten). Ähnlich wie bei der Tour de France hat sich in letzter Zeit aber ein immer größeres Unbehagen bei Beobachtern der olympischen Kernsportart Nummer eins eingeschlichen. Die ARD-Dokumentation „Geheimsache Doping“ von Hajo Seppelt, die Mittwochabend ausgestrahlt wurde, lieferte gute Gründe, die WM nicht einzuschalten. Die Reporter zeigten auf, wie fragwürdig das Anti–Doping-Kontrollsystem in der Leichtathletik-Welt ist. Demnach soll auch ein deutscher Top-Athlet mit Designer-Steroiden versorgt worden sein. Dieser Athlet, angeblich ein Deutscher Meister 2009, dürfte auch vor den Kameras zu sehen sein, wenn die ARD 30 Stunden über diese WM berichtet – geleitet von ihrem Teamchef Walter Johannsen.

Herr Johannsen, wie gehen Sie mit der Arbeit aus dem eigenen Haus, der ARD-Doku, sprich, mit den Doping-Vorwürfen in der Leichtathletik-Szene, um?


Wie schon im Vorfeld der Spiele in Peking möchte ich darauf verweisen, dass ich wenig davon halte, Sportler und Sportlerinnen pauschal zu verdächtigen und damit quasi vorzuverurteilen. Das soll aber nicht heißen, dass wir so blauäugig wären zu glauben, dass alle, die hier um Medaillen kämpfen, eine weiße Weste hätten. Insofern herrscht natürlich schon ein gewisses Unbehagen.

Gibt es eine Art Marschbefehl für die TV-Moderatoren und Kommentatoren, was das Doping-Augenmerk betrifft?


Nein. Wir müssen unseren Teammitgliedern sicher nicht vorschreiben, wie sie sich zur Problematik äußern, denn sie ist ja nicht neu, wir beschäftigen uns seit vielen Jahren intensiv mit diesem Thema.

Florian Bauer aus der ARD-Dopingredaktion soll vor Ort in die Berichterstattung eingebunden sein. Man fragt sich, wo Hajo Seppelt bleibt.

Florian Bauer ist der ARD-Dopingexperte hier vor Ort in Berlin. Vor längerer Zeit haben die Sportchefs der ARD die Kollegen Seppelt und Bauer für verschiedene Großveranstaltungen eingeteilt. Dementsprechend arbeitete Hajo Seppelt bei der Tour und Florian Bauer jetzt bei der Leichtathletik.

Bei der Tour de France wurden nach Belegen für flächendeckendes Doping von ARD/ZDF Konsequenzen gezogen, was die Übertragungen betrifft. Ist so etwas auch für die Leichtathletik-WM denkbar?


Was 2009 zur reduzierten Berichterstattung von der Tour bei ARD und ZDF geführt hat, ist schon ausführlich kommuniziert worden. Nach unserer Auffassung kann man die Leichtathletik – noch – nicht mit den Vorgängen beim Radsport gleichsetzen. Wir sind hier, um die WM insgesamt zu übertragen, sollten sich Dopingvorwürfe konkretisieren lassen, so werden Berichte darüber natürlich in unsere Sendungen einfließen.

Doping soll menschliche Leistungsgrenzen sprengen. Bei den Wettbewerben Olympia 2008 verzichteten ARD und ZDF auf die Einblendung der Weltrekord-Balken, um das alles ein bisschen niedriger zu hängen. Bei der Schwimm-WM zuletzt waren diese Balken im Fernsehen wieder zu sehen.


Richtig ist, dass ARD und ZDF in Peking beim Schwimmen auf die blaue Weltrekord-Linie verzichtet haben. In Rom war diese blaue Linie in das Weltbildangebot integriert. In Berlin wird es bei ARD und ZDF keine entsprechenden Weltrekord-Grafiken geben.

Mal ehrlich, Herr Johannsen, können Sie diesen ja durchaus telegenen Sport, die Leichtathletik, vorm Fernseher eigentlich noch so richtig unbeschwert genießen?


Natürlich nicht nur, das aber geht mir zum Beispiel bei Nachrichten-Sendungen oder politischen Magazinen genauso. Auch da gibt es keine heile Welt.

Das Interview führte Markus Ehrenberg.

ZUR PERSON

Walter Johannsen, 62, Leiter der Sportredaktion des Norddeutschen Rundfunks (NDR), bei der Leichtathletik-WM in Berlin fungiert er als ARD-Teamchef.

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