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Medien: Warten und Zweifel

Wird Boßdorf NDR-Sportchef? Am 13. Dezember tagt der Verwaltungsrat

Der Norddeutsche Rundfunk prüft die von der Birthler-Behörde neu eingetroffenen Unterlagen zur angeblichen Stasi-Tätigkeit von Hagen Boßdorf. Der Journalist ist designierter NDR-Sportchef. Das Material werde sorgfältig ausgewertet, sagte NDR-Sprecher Martin Gartzke. Nach „ergebnisoffener“ Prüfung werden Intendant Jobst Plog und Verwaltungsrat am 13. Dezember beraten.

Der „Süddeutschen Zeitung“ sagte Boßdorf: „Ich habe keine Verpflichtungserklärung unterschrieben, auch habe ich keine Berichte für die Stasi geliefert.“ Christian Booß, Sprecher der Birthler-Behörde, hatte dem Tagesspiegel gesagt: „Die neue Aktenlage legt den Schluss nahe, dass Boßdorf unter dem Decknamen ,Florian Werfer’ für den MfS-Spionagebereich aktiv war.“ Boßdorf bestreitet nicht, dass er sich mit MfS-Offizieren getroffen hat.

Die Frage, vor der der NDR steht: Ist Hagen Boßdorf als Sportchef tragbar? Boßdorf wurde von der Stasi-Kommission des damaligen Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg überprüft. Boßdorf wurde ORB-Chefredakteur. 2002 sollte der Journalist ARD-Sportkoordinator werden. In einem Brief an sechs Hierarchen der ARD berichtete Boßdorf von seinen Kontakten und Erfahrungen mit der Stasi. Boßdorf wurde ARD-Sportkoordinator. Im Oktober dieses Jahres stand der Journalist dem NDR-Verwaltungsrat Rede und Antwort: Boßdorf sollte als Nachfolger von Gerhard Delling zum Sportchef gekürt werden. Der Verwaltungsrat nickte den Vertrag ab. Damals, betonte NDR-Sprecher Gartzke, hätten dem Sender von der Birthler-Behörde 17 Seiten zu Boßdorf vorgelegen. Jetzt verfügt der Sender über 80 Seiten. Birthler-Sprecher Booß sagte: „Vielleicht finden wir noch mehr.“

Wie viel Risiko will der NDR eingehen? Einen Sportchef mit einer Stasi-Vergangenheit beschäftigen, wo keiner genau sagen kann, was an Entdeckungen und Erkenntnissen noch nachkommt? Laut Boßdorfs aktuellen Einlassungen ist alles bekannt. Das kann, das muss man nicht glauben. Wie anderes auch. Keine unterschriebene Verpflichtungserklärung, keine eigenhändig verfassten Berichte: Es gab eklatante Stasi-Fälle ohne diese handfesten Indizien. Umgekehrt, was sagt eine IM-Registrierung? Der PDS-Politiker Lothar Bisky, nach Erkenntnissen der Stasi-Unterlagenbehörde geführt als „IM Bienert“ und später als „Klaus Heine“, bestreitet eine inoffizielle Mitarbeit mit der Stasi, gibt aber zu, offizielle berufliche Kontakte gehabt zu haben.

Boßdorf hatte Stasi-Kontakte, er hat 13 Jahre lang erfolgreich in der ARD gearbeitet. Was wiegt schwerer? Muss Boßdorf denn eine Sportredaktion leiten, also eine Aufgabe wahrnehmen, die vom Vertrauen zu den Mitarbeitern und vom Vertrauen der Mitarbeiter in den Leiter lebt? Manche im NDR sagen, Boßdorf könne doch als Reporter („Tour de France“) und Kommentator, sprich als freier Mitarbeiter für die ARD weiterarbeiten. Da stünde er nur mit seiner Kompetenz und für seine Person ein. Boßdorf zurückgeworfen auf Boßdorf.

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