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Was gucken sie denn? „Dreileben“ mit Stefan Kurt suchte sein Publikum. Foto: WDR

© WDR/Reinhold Vorschneider

Was gucken sie denn?: Die Escort-Zuschauer

Das Publikum belohnt das Fernsehexperiment „Dreileben“ nur mit einer schmalen Quote. Besonders Deutschlands erschöpfte Jugend will lieber entspannen.

Die ARD scheitert, bricht ein, sie erlebt einen Flopp. Die Reaktionen der Mediendienste auf die Quoten zu „Dreileben“ am Montag waren einhellig. Und das ist die Wahrheit der Zahlen: Den Auftaktfilm „Etwas Besseres als den Tod“ ab 20 Uhr 15 sahen 2,61 Millionen Zuschauer. Bei der Fortsetzung „Komm mir nicht nach“ um 21 Uhr 45 sank die Einschaltquote auf 1,84 Millionen, den Abschluss „Eine Minute Dunkel“ von 23 Uhr 30 an schalteten 810 000 Zuschauer ein.

Hat das Erste mit seinem Wagemut, Christian Petzold, Dominik Graf und Christoph Hochhäusler eine Geschichte in drei Variationen über 270 Minuten und an einem Abend erzählen zu lassen, alles falsch gemacht? Wer das bejaht, der gibt das Fernsehen nicht unbedingt verloren, der gibt nur jenen (auch in der ARD) vorschnell recht, die vom Medium „Keine Experimente!“ fordern.

Die ARD musste mit diesen Quoten – Behauptung: waren besser als bei jeder Kinoauswertung – erleben, wie sehr das Fernsehen, auch das öffentlich-rechtliche, die Erwartung und damit die Nachfrage des Publikums geprägt hat. Es sind zwei Entwicklungen, die da zusammenlaufen. Ferngesehen wird von der großen Majorität am Abend und damit in der Freizeit. Freizeit heißt für die meisten Deutschen, wie eine aktuelle Studie der Gesellschaft für Konsumforschung zeigt, Muße, Entspannen, Erholen, nichts tun. Nach den Zahlen des „Freizeit-Monitors“ liegt das Fernsehen an der Spitze aller Aktivitäten (die eigentlich Passivitäten sind). Darauf haben sich die Sender eingestellt. Das Medium ist ein sehr angenehmer und preisgünstiger Escort-Service.

Wenn im Ersten am Montag ein Experiment angekündigt wird, gehen in vielen Haushalten die Alarmsirenen an. Das ZDF holt mit der Wiederholung der Komödie „Butter bei die Fische“ mit 5,61 Millionen den Tagessieg, dicht gefolgt von RTL, wo Tine Wittler zum wiederholten Mal und für 4,45 Millionen „Einsatz in 4 Wänden“ gezeigt hat. Besonders Deutschlands erschöpfte Jugend will entspannen. Der „Dreileben“-Auftakt im Ersten findet bei den 14- bis 49-Jährigen einen Marktanteil von schmalen 5,1 Prozent, der „Einsatz“ bei RTL 20,1 Prozent.

Es ist erstaunlich: Drei ineinander verwobene Filme von 20 Uhr 15 an werden als Zumutung empfunden. Wer aus der arbeitenden Bevölkerung kann denn bis ein Uhr nachts vor der Glotze sitzen? Also den Dreisprung zugunsten von drei Fernsehabenden absagen? Wer die Intensität von „Dreileben“ auflösen will, der argumentiert für Fernseh-Fast-Food. „Dreileben“, das war ein Fernsehmenü. Da braucht es zwei: Einen, der fein kochen, und einen, der in drei Gängen genießen will. Joachim Huber

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