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Medien: Was kostet eine Minute mit Jauch?

Eine Initiative will ARD und ZDF transparenter machen. Dabei soll der Datenjournalismus helfen.

Der Begriff Vorratsdatenspeicherung klingt so harmlos wie „Spare in der Zeit, so hast du in der Not“. Der Grünen-Politiker Malte Spitz hat von der Deutschen Telekom ein halbes Jahr seiner Vorratsdaten eingeklagt und der „Zeit“ zur Verfügung gestellt. Die Wochenzeitung hat daraus zusammen mit den Datenjournalisten der Firma OpenDataCity eine Karte erstellt. Nun kann jedermann sehen, wie aus der vermeintlich harmlosen Vorratsdatenspeicherung ein verräterisches Bewegungsprofil entsteht. Das um frei zugängliche Informationen wie Twitter-Feeds und Blogeinträge von Spitz ergänzte Modell war so überwältigend, dass „Zeit Online“ und OpenDataCity dafür einen Grimme Online Award erhalten haben.

Gründer und Geschäftsführer von OpenDataCity ist der Datenjournalist Lorenz Matzat. Die erst 2010 gegründete Firma beschäftigt inzwischen sieben feste und eine Reihe freier Mitarbeiter, bei denen es sich um Journalisten und Programmierer handelt. Auftraggeber gibt es inzwischen genauso reichhaltig wie Themengebiete. Neben der „Zeit“ war Matzats Firma für den „Spiegel“ tätig, hat für die „taz“ eine Fluglärmkarte von Berlin erstellt und für die „Süddeutsche Zeitung“ einen Zugmonitor, der darüber Auskunft gibt, mit welchen Verspätungen die Kunden der Deutschen Bahn zu kämpfen haben. Auf der Bloggerkonferenz Republica hat er am Montag einen Vortrag über „Die maschinenlesbare Regierung – Eine kritische Analyse zur Gegenwart von Open Data und Open Government in Deutschland“ gehalten. So abstrakt die Basisdaten mitunter sind, durch die Aufbereitung der Datenjournalisten werden daraus spannende Geschichten.

Das jüngste Großvorhaben trägt den Namen „Open ARD ZDF“. Ziel ist es, mehr Transparenz in das komplizierte Finanzwesen der öffentlich-rechtlichen Sender zu bringen. „Wir haben als Gebührenzahler einen Anspruch, gut darüber informiert zu werden, was mit diesen Geldern geschieht“, sagt Matzat, nach dessen Aufruf sich zahlreiche Freiwillige gemeldet haben. Im Idealfall kann danach auf einen Blick gesagt werden, was der gerade laufende „Tatort“ in Euro und Cent gekostet hat oder wieviel Günther Jauch und seine Produktionsfirma für eine Minute seines letzten Sonntagstalks erhalten haben. Von jetzt auf gleich ist das allerdings nicht zu machen. Die aktuellen Verträge zwischen den Sendern und den Produktionsfirmen lassen dies derzeit nicht zu, das ist dem Datenjournalisten durchaus klar. „Doch die öffentlich-rechtlichen Sender könnten solche Klauseln in künftige Verträge einfügen“, hofft Matzat.

Innerhalb der Sender scheint die Bereitschaft für mehr Transparenz durchaus zu wachsen. Durch den Wechsel von der GEZ-Zahlung zur Haushaltsabgabe ist der Legitimationsdruck von ARD und ZDF gewachsen. Der ARD-Vorsitzende Lutz Marmor hat bereits signalisiert, die Initiative soweit wie möglich zu unterstützen. Tatsächlich ist die Situation insbesondere in der ARD unübersichtlich. Dies gilt Matzat zufolge vor allem für die verschiedenen Tochterfirmen. Und anders als bei den öffentlich-rechtlichen Müttersendern müssen die privatwirtschaftlichen Töchter so gut wie gar nichts von sich preisgeben. Matzat rechnet jedoch damit, an die nötigen Interna heranzukommen. „Wir gehen davon aus, dass uns Leute aus dem Apparat Sachen leaken, wenn sie wissen, dass mit den Informationen etwas Gutes passiert.“ Er selbst sieht sich durchaus als Verfechter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der allerdings verbessert werden könne. Seiner Meinung nach kann es für die Sender hilfreich sein, wenn von außen Druck gemacht wird.

Zunächst will sich die Open-ARD-ZDF- Arbeitsgruppe einen Überblick verschaffen und das vorhandene Expertenwissen bündeln. Dabei helfen die sich bereits im Netz befindlichen Informationen über die Situation der Sender. Die Materialien reichen vom Geschäftsbericht des Beitragsservice über die Jahresberichte der Komission zur Ermittlung des Finanzbedarfs bis zum Haushaltsplan des ZDF. Auch zu den neuen ARD-Sendern gibt es zahlreiche öffentliche Informationen im Netz, teilweise mit Mediaanalysen, Leitlinien und Organigrammen garniert. Andere Informationen können bei den Sendern erfragt werden. In Hamburg ist das Transparenzgesetz in Kraft getreten, das auch für den NDR gilt – allerdings wohl erst ab 2015. Als weiterer Ansatzpunkt für Recherchen könnten die Landesmedienanstalten dienen. Nachdem inzwischen gerichtlich festgestellt wurde, dass der Bundesrechnungshof zumindest teilweise unter das Informationsfreiheitsgesetz fällt, könnten auch über diese Kontrollinstanzen Informationen gewonnen werden.

In manchen Fällen werden diese Ergebnisse allerdings wohl zu spät kommen. So wie bei Radio Multikulti. Der RBB-Radiosender war Ende 2008 trotz massiver Proteste eingestellt worden. Matzat und seine Kollegen untersuchen die Finanzdaten, insbesondere die Einsparungen des Senders für die Folgejahre. Dabei sieht es so aus, als ob erheblich weniger ausgegeben wurde als zunächst angenommen. „Radio Multikulti hätte nicht abgeschafft werden müssen. Das Geld für den Sender wäre da gewesen. Oftmals wird jedoch rein betriebswirtschaftlich gehandelt. Und wenn man sieht, dass das, wie bei Radio Multikulti, gar nicht nötig gewesen wäre, ist das für mich ein Skandal.“

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