zum Hauptinhalt

Medien: Was Presse macht

Ein Arte-Themenabend über Medien – zum Beispiel die Bedeutung der „taz“

Jemandem zu früh zum Geburtstag zu gratulieren, bringt ja angeblich Unglück. Arte macht es trotzdem. In gut acht Monaten feiert die „taz“ ihr 25-jähriges Bestehen. Am 1. April 1979 erschien die erste Ausgabe der alternativen Zeitung. Dem deutsch-französischen Kultursender dient das Jubiläum am heutigen Donnerstag als Anlass für einen langen Themenabend rund um „Die Presse und ihre Macht“.

Nicht alle Beiträge, die Arte in diesem Crashkurs in Sachen Medien zeigt, sind brandneu. Zur Einstimmung geht’s los mit dem ersten Teil des Filmwerks „Der Verleger“, der Verfilmung des Lebens von Axel Cäsar Springer, gespielt von Heiner Lauterbach. Auch die darauf folgende Dokumentation „50 Jahre ,Bild’“ ist schon ein Jahr alt. Doch auch für jene, die diesen Film noch vom vergangenen, vom Jubiläumsjahr der größten Boulevardzeitung Europas kennen, lohnt sich das Wiedersehen. Denn gleich im Anschluss folgt die Erstausstrahlung „Zwischen Marx und Mainstream – Die ,taz’ wird 25“.

Zwischen beiden Filmen Parallelen zu ziehen, ist schlichtweg spannend. Hier wie da ist der Besuch des Schah im Jahr 1967 Thema, hier wie da geht es um Rudi Dutschke, Benno Ohnesorg, Hanns-Martin Schleyer, hier wie da sieht man brennende Lieferwagen, die daran gehindert werden, die „Bild“-Zeitung auszuliefern. Die Historien von „Bild“ und „taz“ haben viele Gemeinsamkeiten – letztlich verdankt die „taz“ ihre Existenz dem Boulevardblatt aus dem Springer-Konzern. Oder, wie der Ex-„taz“-ler Max Thomas Mehr es formuliert: „Wir wollten die Linke mit einer Zeitung realitätstauglich machen.“

Geradezu vergnüglich ist es, nach Bestätigungen für die Klischees beider Blätter zu suchen. Jene, die für die „Bild“-Zeitung der Vergangenheit und Gegenwart stehen, wirken in Rede, Körpersprache, Verhalten fast durchweg geschniegelt, selbstgefällig und – je nach Alter – jung-dynamisch oder altersweise-honorig. Bei der „taz“ hingegen sieht man schon länger nicht mehr nachgeschnittene Schnurrbärte mit Fluppe drunter, grau gewordene Altredakteure und einen zwischen meterhoch getürmten Papierstapeln versteckten Afrika-Experten. Dazu passend klagt Wirtschaftsredakteur Hannes Koch, dass sich „taz“-ler bei Terminen immer noch ein bisschen schicker anziehen müssten als „Handelsblatt“-Redakteure, um nicht als Journalisten zweiter Klasse angesehen zu werden. Dann sieht man „taz“-Chefredakteurin Bascha Mika im ICE von Berlin nach Hamburg, sie soll bei der „Financial Times Deutschland“ Blattkritik machen. Vor versammelter „FTD“- Redaktion und laufenden Kameras sagt sie: „Ich würde mir ansatzweise diese Unternehmensberichterstattung für die ,taz’ wünschen.“

Die „taz“ ist „lange angekommen in der kapitalistischen Marktwirtschaft“, heißt es in dem Film von Eilika Meinert und Gesine Enwaldt. 1989, nach dem Fall der Mauer, rutschte die „taz“ in die schwerste Krise ihrer Geschichte. Zwei Jahre später wurde sie durch die Gründung einer Genossenschaft gerettet. Jetzt, 2003, ist eine Kapitalgesellschaft geplant, damit die „taz“ expandieren kann. Es ging dem Blatt schon mal schlechter. Und so kann man sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, wenn man zuschaut, wie Christoph Keese, Chefredakteur der „FTD“, sich im Gespräch mit „taz“- Chefin Bascha Mika über die Anzeigenkrise und finanzielle Schwierigkeiten der lachsrosafarbenen Wirtschaftszeitung klagt. Keese sagt, wahrscheinlich sei das Geschäftsmodell der „taz“, die ihre Erlöse vor allem aus dem hohen Verkaufspreis statt aus dem Anzeigengeschäft generiert, das Modell der Zukunft.

Optimistisch und gut gelaunt will der „taz“-Film wirken, musikalisch unterlegt mit dem Sting-Song „It’s a brand new day“. Ein schöner Gegensatz zu den vielen kritischen bis pessimistischen Untertönen der Doku. Etwa, wenn Frankreich-Korrespondentin Dorothea Hahn kritisiert, die „taz“ folge dem allgemeinen Trend in den deutschen Medien, zu viel Unterhaltung im Blatt zu haben. Schließlich sei die „taz“ doch immer dann gut, „wenn’s kracht“. Oder wenn der frühere „taz“-ler Max Thomas Mehr fragt: „Wozu braucht man die ,taz’? – Welche Wirkung hat sie in Deutschland und Europa?“ Und sich selbst die Antwort gibt: „Die ,taz’ hat keine wirkliche Bedeutung mehr, aber eine Geschichte“. Die harscheste Kritik kam bei der streitbaren, meist aber zerstrittenen „taz“ schon immer aus den eigenen Reihen. Die „taz“-Linie „politische Härte, gepaart mit Respektlosigkeit und Ironie“, wird auch gegen die eigene Zeitung angewandt.

Während sich andere, die nicht im Verdacht stehen, „taz“-Freunde zu sein, viel freundlicher äußern. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer etwa sagt: „Ich lese die ,taz’, weil sie für eine linke Zeitung sehr intelligent gemacht ist, und Humor findet man in der linken Szene relativ selten“. Oder die frühere Bundesverfassungsrichterin Jutta Limbach, die sagt: „Die ,taz’ schützt mich einfach vor frühzeitiger Hirnverkalkung.“

Arte-Themenabend „Macht der Presse“

20 Uhr 40: „Der Verleger“, Teil 1 (Teil 2 am Freitag, 20 Uhr 40)

22 Uhr 10: „50 Jahre „Bild“

23 Uhr 05: „Zwischen Marx und Mainstream – Die ,taz’ wird 25“

23 Uhr 55: „Wer hat Angst vor Rupert Murdoch?“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false