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Medien: Wer war der beste Jahresrückblicker?

Die Woche von Günther Jauch und Johannes B. Kerner – wie sich RTL und ZDF 2003 zusammen reimten

Gibt es ein Leben außerhalb des Fernsehens? Nach Günther Jauchs 2003-Revue vom vergangenen Sonntag auf RTL konnte man zweifeln. Hier kam nur vor, wer vom Fernsehen, im Fernsehen gewesen oder wenigstens vor dem Fernseher eingeschlafen war. Bei Kerners Rückschau im ZDF am Freitag abend hatte sich schon ein bisschen mehr Leben eingeschlichen: Leutchen von der Straße, die in Fußgängerzonen die Hits des Jahres trällerten, eine blinde Spitzenabiturientin und die Ich-AG, die in Berlin ein Strandleben mitten ins Regierungsviertel gezaubert hatte. Ja, und Elefanten-Polo – wussten Sie, dass es sowas gibt?

Außergewöhnliche Verdienste also, Kuriositäten und Musik – was kann eine Show sonst bieten? Sie könnte zum Beispiel die Kuriositäten nicht gleich auch wieder als Leistungen präsentieren, sondern einmal Geschichten des Jahres erzählen, die kein virtuelles Siegertreppchen in den Raum stellen, das heißt jede Lebensregung mit dem sportlichen Maßstab messen. Da wird Jan Ullrich zugeschaltet und nach Knick und Klimax seiner Karriere ausgequetscht, dabei will er sich eigentlich nur an seiner neugeborenen Tochter freuen – aber dafür hat er, wie er selbst sagt, keine Worte.

Und mit Vitali Klitschko müssen wir alle noch mal zurück zu dem Moment, wo er verhauen wurde, aber dann kommt sofort wie zum Ausgleich die Frage nach der Weltmeisterschaft der Klitschko-Brüder 2004. Applaus, Applaus. Und die Jungs vom Elefanten-Polo haben natürlich auch einen WM-Titel. Ganz wie die „Damen“ (eine Bezeichnung für weibliche Menschen, die nun schon ewig mega-out ist, Herr Kerner!) vom Fußball mit ihrem golden goal. Überall Rekorde. Sogar die guten Taten stehen indirekt im Wettbewerb. Ziemlich weit oben: Jürgen Todenhöfer mit seiner Hilfe für kindliche Kriegsopfer im Irak.

Nun kommt Moderator Kerner ja vom Sport, und das hat ihn geprägt. Jedenfalls fiel es ihm nicht leicht, andere als sportliche Kriterien anzulegen, wenn es galt, „Menschen des Jahres“ auszuwählen oder anzusprechen. Wo mal die „Sportschau“ als Modell für die Revue überhaupt nicht taugte, wie bei Loriots Jubiläum oder Susanne Juhnkes Enthüllungen, war Kerner auch nicht in seinem Element und das Gespräch entsprechend dürftig.

Bei Günther Jauchs Millionärsspiel steht ebenfalls das Gewinn- und Verlustschema im Mittelpunkt, seine Raterei ist auch eine Art Sport (und im Fernsehen schon längst olympische Disziplin). Und so war es auch klar, dass es bei ihm ohne Schumi und Co. nicht abgehen würde. Aber Jauch ist doch der zivilere Typ, und er kam mit nicht-sportlichen Gästen eindeutig besser klar. Dafür stolperte er – beziehungsweise seine Show – in eine andere Falle. Rückblicke sind ja ideale Gelegenheiten für Sender, Reklame in eigener Sache zu machen. Haben sie doch das Jahr archiviert, jetzt brauchen sie nur Nachlese zu halten. Das geht schief, wenn die Fuzzis vom Fernsehen sich nicht die Frage stellen, ob sie womöglich etwas übersehen haben.

So schien auf RTL das Jahr 2003 einzig zum höheren Ruhme dieses Senders im Kalender verzeichnet zu sein. Hier kam das ZDF besser heraus, es hatte sich nämlich durchaus im Lande und nicht nur in seinem Archiv umgesehen. Aber auch die events, die „wirklich“ – das heißt außerhalb von Fernsehshows – über die Bühne des Lebens gegangen sind, verloren viel von ihrer Besonderheit, wenn sie gleich wieder als Abart sportlicher Heldentaten dargeboten wurden.

Auch für die Kurzzeithistorie sind Rekorde kein wirklich interessantes Deutungsmuster. Das sind sie nur für die verspielten Kids, zu denen die Mehrheit der Fernsehgucker in ihren Sesseln offenbar mutiert.

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