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Medien: "Wer wird Millionär?": Der Helfer am Telefon

Die Kandidaten bei Jauchs Millionenspiel haben es gut: Glück. Geld, ein sorgenfreies Leben.

Die Kandidaten bei Jauchs Millionenspiel haben es gut: Glück. Geld, ein sorgenfreies Leben. Aber denkt irgendjemand an die Bedauernswerten, die als menschlicher Joker hilf- und tatenlos vor dem Telefon hocken?

Ungewöhnlich früh hatte eines Morgens das Telefon geklingelt und mein Bekannter Lutze platzte mit der Neuigkeit heraus, dass er - "Das glaubst du nicht! Das glaubst du einfach nicht!" - Kandidat bei Jauch sei. Und ob ich denn bitte einer seiner Experten sein wolle? Natürlich habe ich zugesagt, aber nach dem Ende des Telefonats wurde mir klar, warum: Schuld war eine gefährliche Mischung aus Eitelkeit und Dummheit. Schön, Lutze hält mich für allseits gebildet, aber wenn ich nun die falsche Antwort gebe, ihm seinen Millionengewinn vermassle? Die Blamage! Die Demütigung!

Nachdem ich kurz erwogen hatte, für ein paar Jahre nach Kamerun auszuwandern, stand ich doch zu meinem Wort. Dabei macht einem die Produktionsgesellschaft das Leben auch nicht gerade leicht. Man wird verdonnert, am Tag der Aufzeichnung zu drei festgelegten Zeiten zu Hause zu sein. Der erste Kontrollanruf erfolgt mittags. Man soll es bitte drei Mal klingeln lassen, säuselt eine Dame im bewusstlosen Stewardessen-Slang, und sich dann unbedingt mit Vor- und Zunamen melden. Telefoniert wird nur vom Festanschluss, sowohl Radio als auch Fernseher müssen ausgeschaltet sein. Nachmittags kommt ein weiterer Anruf. Denken die eigentlich, ich bin blöd und muss meinen eigenen Namen am Telefon üben?

Doch dann kommt die Zeit zwischen acht und zehn. Mein Puls rast schon seit Mittag. Ich konnte nichts essen, meine Blase platzt fast, doch ich traue mich nicht ins Bad. Wenn Jauch anruft ... Die Sendung ist nicht live, also hat man keine Ahnung, wer wirklich Kandidat wird und wie es steht.

Kurz vor zehn bimmelt es. Freunde, die ich zur Unterstützung eingeladen habe, bekommen einen Lachanfall. Er ist wie eine Rakete hochgegangen, werden sie später überall rumerzählen, und dabei flogen seine Schuhe von den Füßen und in hohem Bogen durchs Wohnzimmer! Mit dem Schrei "Der Jauch! Der Jauch!" rase ich zum Telefon. "Beruhige dich, ich bin gar nicht drangekommen!", sagt Freund Lutze und erzählt, dass er nun die zwanzig Mark verprassen wird, die ihm die Produktionsfirma großzügigerweise als Spesen spendierte. Im Stillen bedauere ich Lutzes Freundin. Die hatte schon den ganzen Tag über Immobilienanzeigen studiert. Nun wird die neue Wohnung wohl doch etwas bescheidener ausfallen.

Matthias Frings

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