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Übung für den Ernstfall. Die Kamera begleitet die Ausbildung.

© ZDF/Alexander Gheorghiu

Werdegang von Staatsdienern: Arte-Doku dokumentiert Polizisten-Ausbildung

Ausbildung und Alltag junger Polizisten haben wenig mit den Blaulicht-Reportagen des Privatfernsehens gemeinsam: Eine Arte-Doku bietet den unvoreingenommenen Blick darauf.

Was lernt man auf einer Polizeischule? Zum Beispiel eine „entschlossene Schießhaltung“. Auf dem Schießstand aber zuckt die Polizeischülerin erschrocken zusammen, als die Pistole knallend abgefeuert wird. Und ihr Mitschüler ist derart im Stress, dass der Ausbilder empfiehlt: „Atme erst mal ruhig durch.“ Ob der donnernde Befehl „Entspannen!“ dann der Gemütslage des Schülers gilt oder doch den nächsten Handgriff an der Waffe bezeichnet, wird nicht ganz klar. Auch in den Rollenspielen wirken die Schüler unsicher, zögerlich, gehemmt. Was tun, wenn Personen nicht den Anweisungen folgen? Wenn sie auf die Beamten zugehen, statt zurückzuweichen? Oder plötzlich ein Messer in der Hand haben? Aber es gibt auch angenehme Teile in der Polizeiausbildung: „Sie sind unter Ihrem Baum eingeschlafen und möchten jetzt träumen von einem unbeschwerten Urlaubstag“, hört man eine sanfte Stimme, während die Schüler schlummernd oder meditierend in einem Raum bei gedämpftem Licht liegen.

Marie Wilke durfte in Sachsen-Anhalt die Ausbildung und die ersten Schritte im Berufsleben von fünf Polizistinnen und Polizisten mit der Kamera begleiten. Ohne Einschränkung oder Zensur, wie der Sender Arte jetzt aus Anlass der Erstausstrahlung von Wilkes Kino-Dokumentarfilm „Staatsdiener“ versichert. An – meist fiktiven – Polizisten mangelt es im Fernsehen ja nicht gerade. Bereitschaftspolizisten sind da in der Regel gutmütige Helfer, nahe an den Menschen und ihren Nöten, regional verwurzelt wie etwa im öffentlich-rechtlichen „Großstadtrevier“. Einige Privatsender verleihen ihren billigen Krimiserien einen pseudo-dokumentarischen Touch, manchmal mit realen, vom Dienst freigestellten Kommissaren wie bei „Niedrig und Kuhnt“ (Sat1). Und Blaulicht-Reportagen gehören ohnehin zum Standardrepertoire des Mediums. Die Bochumer Polizisten Torsten Heim und Thomas Weinkauf brachten es dank der Sat1-Reihe „Toto & Harry“ sogar zu einiger Popularität.

Weg vom krawalligen Kokolores

Wilkes Film „Staatsdiener“ ist der Gegenentwurf zu all dem mal verklärenden, mal krawalligen Kokolores, ein offener, unvoreingenommener Blick auf Ausbildung und Alltag. Die Regisseurin führt keine Interviews, liefert keine Erklärungen, stützt sich allein auf unkommentierte Beobachtung. Ihre interessanteste Protagonistin ist Kathrin, die den Korpsgeist in diesem „ziemlichen Männerverein“ kritisch sieht und deren Idealismus in der Realität besonders strapaziert wird.

In Uniform wird sie zur Vertreterin der Staatsgewalt, aber ihre Fragen und Zweifel bleiben. Bei einem ersten Praktikum erlebt sie, wie pöbelnde Fußballfans und gereizte Polizisten aneinandergeraten. Gefragt nach den Erfahrungen beim Einsatz, berichtet sie ihren Vorgesetzten: „Wenn man dann so Leuten gegenübersteht, dann merkt man, dass man eigentlich gar nichts weiß.“

In der zweiten Hälfte des Films sieht man sie und ihre Kollegen auf Streife. Nächtliche Tristesse in Halle, Magdeburg oder Stendal. Es geht um Ruhestörung und häusliche Gewalt, um das alltägliche Elend in Vierteln, aus denen viele Menschen wegziehen und viele Verbliebene in den Alkohol flüchten.

Die Bilder erzählen jetzt nicht nur von Rollenspielen, sondern von der Wirklichkeit, von Aggression, Verzweiflung und Einsamkeit. Und mittendrin die Polizisten, die meist angeschrien – und ein Mal umarmt werden: von einem älteren, arbeitslosen Mann, der einen Diebstahl anzeigt und sich offenkundig über etwas Gesellschaft freut. Marie Wilke war weder darauf aus, Munition für Vorurteile zu finden, noch einen PR-Film zu drehen. Der Lohn ist ein selten klarer Einblick in die inneren und äußeren Konflikte, die junge Menschen in Polizeiuniformen umtreiben. Thomas Gehringer

„Staatsdiener“, Arte, Donnerstag, 23 Uhr 10

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