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"Wetten, dass..."-Klon: Wie einzigartig sind TV-Shows in Deutschland?

Das ZDF nennt die Pläne des Privatsenders RTL für eine Show nach dem Vorbild von „Wetten, dass...?“ Diebstahl geistigen Eigentums. Wie werden Fernsehformate in Deutschland geschützt?

Er könne eine 56 Kilogramm schwere Frau vier Meter weit werfen, wettete der Bodybuilder und ließ noch einmal seine Muskeln spielen, bevor er am Sonntagabend antrat. Zu sehen war sein Einsatz in der Show des niederländischen Fernsehsenders RTL 4 „Ik wet, dat ik et kann“. 70 Minuten dauert die Wettshow, in der verschiedene Kandidaten auftreten – und schon bald könnte das erfolgreiche Format auch in Deutschland zu sehen sein. RTL hat die Rechte von der Hilversumer Firma Masmedia gekauft und sucht zurzeit per Trailer Kandidaten für die Show „Challenge Me! Ich wette, dass ich es kann!“.

Das ZDF fürchtet nun, dass RTL schlicht „Wetten, dass..?“ abkupfern will. „Das ist Diebstahl geistigen Eigentums und wird im Zweifel von Juristen zu prüfen sein“, sagte ZDF-Unterhaltungschef Manfred Teubner der „Bild am Sonntag“. Dass der Mainzer Sender einen solchen Rechtsstreit gewinnen könnte, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Denn Fernsehformate genießen kaum einen urheberrechtlichen Schutz. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) bereits 2003 in einem Urteil.

Im Mittelpunkt des Rechtsstreits stand damals die von Michael Schanze präsentierte SWR-Show „Kinderquatsch mit Michael“. Eine französische Produktionsfirma klagte, dass sie sich das Format, das in Frankreich unter dem Titel „L’ecole des fans“ lief, ausgedacht habe und Schanzes Sendung ein Plagiat dieses geschützten Sendeformats sei. Nicht nur den Typ des Moderators habe der SWR übernommen, sondern auch den Ablauf der Sendungen, die Kameraführung, die Spannungsverläufe und die Positionierung der Kandidaten.

Der BGH wies die Klage zurück, ein Format sei als Grundkonzept urheberrechtlich nicht schutzfähig. Zwar sei ein Konzept in seiner Gesamtheit ein Ergebnis individueller geistiger Schöpfung – aber wenn ein Format bloß Anleitung für eine andere Sendung sei und nicht die konkrete Ausführung des bestehenden Formats selbst nachgemacht wird, dürfe man sich an bereits bestehenden Formaten orientieren.

„Plots von Ratesendungen oder Castingshows sind schwer zu monopolisieren“, sagt Rechtsanwalt und Medienrechtsexperte Christian Schertz. Denn die Abfolge der Formate sei oft standardisiert. Ein Sender könne nicht dem anderen verbieten, dass ein Moderator einem Kandidaten eine Frage stellt, der bei der richtigen Antwort Geld bekommt. Nur einzelne, ganz besondere Show-, Moderations- und Ausstattungsmerkmale würden urheberrechtlichen Schutz genießen. Sendetitel, Logo oder eine markante Erkennungsmelodie seien vom Markenrecht geschützt. Und weil sich diese Elemente etwa bei „Das Quiz mit Jörg Pilawa“ (ARD) und „Wer wird Millionär?“ (RTL) unterscheiden, können beide Sendungen nebeneinander existieren.

Deutschland ist im internationalen Vergleich allerdings eine Ausnahme. In fast allen anderen Ländern existiert ein „Copyright“ für TV-Formate, Lizenzen werden beispielsweise auf Programmmessen wie in der Mip TV in Cannes verkauft. „Auch deshalb halten sich die Entwickler und Produzenten aus Deutschland an die Spielregeln und kupfern nicht einfach voneinander ab“, sagt Ute Biernat, Geschäftsführerin von Grundy Light Entertainment. Das Unternehmen ist eine Tochter der britischen FremantleMedia. Von Freemantle wurde beispielsweise 2001 das Format „Pop Idol“ mit entwickelt, das seit 2002 in Deutschland bei RTL als „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) läuft. Die Lizenz gebühr kassiert deshalb Freemantle, mit der Produktion verdient Grundy seinen Anteil, und RTL nimmt Geld durch Werbung ein. Dass Pro 7 mit „Popstars“ eine ähnliche Castingshow im Programm hat, findet Ute Biernat nicht schlimm: „Es wäre doch fatal, wenn man nur durch eine einzelnes Element, beispielsweise Wetten oder das Casting von Sängern, ein ganzes Genre für andere Produzenten sperren würde.“ Bei der Entwicklung von Formaten werde automatisch auf Unterscheidbarkeit geachtet, da das Interesse der Zuschauer bei zu vielen gleichen Sendungen sinken würde. Jede Show setze sich aus vielen kleinen Elementen zusammen, deshalb sei genügend Platz für Kreativität und Unterscheidbarkeit vorhanden. Ganz entscheidend sei auch der Moderator. Auch Kochsendungen hätten beispielsweise das gleiche Grundkonzept, würden sich aber durch die Art des Kochs, wie er sich an die Zuschauer wendet oder ob er zusammen mit Gästen kocht, unterscheiden. Ähnlich sei es beim aktuellen Fall der neuen RTL-Wettshow. Nur weil es darin um Wetten gehe, sei „Wetten, dass..?“ noch lange nicht abgekupfert.

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