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Markus Lanz und Co-Moderatorin Michelle Hunziker am Samstagabend in Augsburg.

© dpa

„Wetten, dass…“-Kritik: Markuuuuuuuus Laaaanz!

Zur Weihnachtsausgabe von „Wetten, dass…“ betrat der Moderator die Show wie ein Boxer. Tatsächlich erfüllt er eher die Rolle des peinlichen Onkels – was der Sendung ganz gut steht.

Der Sender weiß, wo seine Kritiker wohnen und warf ihnen den Spielball noch vor der Sendung selbst zu: „Große Überraschung beim Opening von @wettendass“, twitterte das ZDF am Samstag, „wir verraten aber nichts.“ Nur um verheißungsvoll den Hashtag #ohnemarkuslanz anzuhängen.

Tatsächlich gab es zum Start der Sendung keinen Lanz. Stattdessen eröffnete Sänger Michael Bublé im Duett mit Michelle Hunziker die Weihnachtsausgabe von „Wetten, dass…“. Wer jetzt dachte, die Show habe den einen abgelegt und die andere zurückgeholt, wurde enttäuscht. Bublé kündigte den Gastgeber des Abends an wie ein Boxpromoter: „Here is Markuuuuuus Laaanz!“

Die Ansage könnte passen, denn längst betritt der Moderator keine Veranstaltungshallen mehr, wenn er eine „Wetten, dass…“-Sendung präsentiert – er betritt einen Boxring, an dessen Seite die Punktrichter der Feuilletons und sozialen Netzwerke warten. Lanz kann’s nicht, rufen sie.  Auf Twitter ergießt sich die Häme in Echtzeit; jeder Lanz-Witz, der nicht zündete, wird hier noch mal zum Fremdschämen protokolliert. Es entsteht ein Second Screen, den sich keine Fernsehsendung wünscht.

Doch die eigentliche Währung, die für eine Samstagabendshow zählt, ist das Wohnzimmer. Hier hatte „Wetten, dass…“ zuletzt immer stärkere Verluste eingefahren. Die letzte Show im November sahen 6,55 Millionen Menschen, so wenige wie noch nie zuvor. Vielleicht mag das der Grund sein, warum sich das Format immer mehr zur Gottschalk-Sendung zurückentwickelt: Mehr Gäste-Talk, bodenständige Wetten und nun kehrte sogar Michelle Hunziker als Co-Moderatorin zurück.

Hunziker kittet Moderationslöcher in Echtzeit

Wobei, Hunziker war weniger Co-Moderation als vielmehr Moderations-Koordinatorin. Kaum ein Moment, in dem sie nicht den Ausführungen Lanz‘ ein „Das muss man näher erklären“ oder ein „Das sollte man zeigen“ hinterherschiebt. Es wirkte, als sei Hunziker dabei gewesen, um Moderationslöcher live zu kitten und – wenn man im Boxring bleibt – Lanz in den Kampfpausen immer wieder den Schweiß aus der Stirn zu tupfen. Am Ende fiel sie ihm gar in die Verabschiedung, um ein „Ich finde übrigens, du machst das ganz toll“ einzuschieben.

Und damit hat sie gar nicht so Unrecht. Markus Lanz macht es ganz toll. Wenn er seine Wettkandidaten vorstellt, dann tut er das mit ehrlicher Begeisterung. Er nimmt sie ernst – wie die Siebtklässler aus Erlangen, die auf Tafel geschriebene Lateinvokabeln am Kratzgeräusch der Kreide erhören. Michelle Hunziker schiebt hier nur hinterher, ob die Kids nicht lieber „auf Facebook sein müssten“. Und er hört zu – wie dem 24-jährigen Friedrich Kühne, der Kerzen mit dem Luftstoß seiner Slackline beim Balancieren auslöscht. Lanz hat ein großes Bedürfnis, es gut zu machen – und diese Mühe merkt man ihm an. Leider ist es genau diese Bemühtheit, die „Wetten, dass…“ auch immer wieder ins Stocken geraten lässt. Denn bei seinen Gästen ist Lanz alles andere als locker.

Zur Weihnachtsshow nach Augsburg kamen unter anderem ABBA-Legende Björn Ulvaeus, die Schauspieler Olivier Martinez und Wolfgang Stumph und die Moderatorin Ina Müller. Die bekommt von Lanz ein „Eau de Fritteuse“ geschenkt und Wolfgang Stumph muss sich immer neue Sachsen-Witze anhören. Stumph reagiert darauf erfrischend humorvoll. Dessen „Wir hatten ja nüscht“; sorgt beim Publikum für ehrliche Lacher – die Lanz-Zoten über Trabis und Bananen schaffen hingegen nie die paar Meter von der Gästecouch bis zum Augsburger Publikum.

Immer die gleichen Anekdoten

Der Moderator wirkt in solchen Momenten wie der peinliche Onkel, den keiner auf seiner Familienfeier haben will. Als Wolfgang Stumph eine Geschichte mit ihm und sechs Italienerinnen in einem Trabi erzählt, kann Markus Lanz nicht anders mit Grundschülerkichern „Sechs statt Sex!“ hinterherzuschieben. Er macht die falschen Witze in den falschen Augenblicken und tischt lieber die immer gleichen Anekdoten auf anstatt Neues zu erfragen. Wenn Lanz die Antworten seiner Gäste nicht schon auf den Moderationskärtchen parat hätte – vielleicht wären die Fragen dann spannender.

Wie leicht so ein Konzept scheitern kann, führte ausgerechnet der letzte Gast des Abends vor, Boris Becker. Ein bisschen hatten hier alle auf einen Kracher gehofft, hatte @TheBorisBecker doch noch vor der Show getwittert – da ist er wieder, der böse Echtzeit-Kanal – er habe „News“ zu verkünden. Die „News“ blieben dann leider aus, Becker nuschelte nur seine „Twitter-Hand“ gehe manchmal mit ihm durch. Und Lanz fiel nichts mehr ein, was er von dem Mann mit dem glasigen Blick sonst noch wissen wolle.

Langweilig war „Wetten, dass…“ deshalb noch lange nicht: Es gab die Momente, wo Wetten in letzter Sekunde glückten und es gab die Lacher im Saal, die spontan und ehrlich losbrachen - auch bei den Fernsehzuschauern kam die Ausgabe wieder besser an: 6,88 Millionen Menschen (Marktanteil 23,3 Prozent) schalteten trotz des "Supertalent"-Finales auf RTL ein, immerhin 300 000 mehr als beim Allzeittief im November.

Was es nicht gab, war ein Moderator, der solche Momente als Dauerfeuer produziert.  Aber vielleicht muss „Wetten, dass…“ auch nicht der sekündlichen Gier seiner Twitter-Kritiker gerecht werden. Vielleicht ist eine Samstagabendshow eben doch eher ein Format wie eine Familienfeier. Und dort wird der peinliche Onkel halt doch immer wieder eingeladen.

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