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Medien: Wieso? Weshalb? Warum?

Die DDR lebt – bei Kinderzeitschriften. Nun soll „Frösi“, einer der populärsten Titel, wieder erscheinen

Haben die Feierlichkeiten zu 15 Jahren Mauerfall eine wahre Ostalgieflut durch Deutschland gespült, so steht dem Land jetzt ein Ostalgiewellchen bevor. Eine der populärsten Kinderzeitschriften der DDR kommt ab dem 29. April wieder in den Handel. Die „Frösi“ soll nach altem Konzept wieder erscheinen — zumindest an Kiosken in Ostdeutschland.

„Fröhlich sein und singen“, so der ausgeschriebene Titel, richtete sich als Organ der FDJ seit 1953 an Junge Pioniere im Alter von sechs bis 14. Nun sollen Acht- bis Zwölfjährige die kulturellen und naturwissenschaftlichen Berichte, die Comics und Bastelanleitungen lesen. Auf ideologisch verbrämte Erziehung verzichten die Macher wohlweislich. „Wir wollen uns nicht in die Politik einmischen“, sagt Bernd Wishöth, Verlagsleiter der neuen „Frösi“. Früher erreichte die „Frösi“ eine Auflage von bis zu 500000 Exemplaren, die stets ausverkauft gewesen sein soll. Mit Ende der DDR war bald Schluss mit „Fröhlich sein und singen“. Das Magazin wurde eingestellt wie das Pioniermagazin „Trommel“ und der Comic „Atze“ 1991 . Zu aufwändig war die Produktion, zu klein der Abonnentenstamm, zu klein die Zielgruppe im wiedervereinten Deutschland. Der Verlag Junge Welt, der in der DDR alle Kinderzeitschriften zentral herausgegeben hatte, ging nach 1989 an die Treuhand über. Nur das Kleinkind-Magazin „Bummi“ und das Comic-Heft „Mosaik“, für das ein Verlag gegründet wurde, bestanden den Konkurrenzkampf.

Dietmar Bartsch, ehemaliger Geschäftsführer des Junge-Welt-Verlages, einstiges PDS-Bundestagsmitglied und heutiger Verlagsleiter der Zeitung „Neues Deutschland“, sieht in den hohen Abonnentenzahlen der DDR den entscheidenden Grund dafür, dass „Bummi“ und „Mosaik“ weiterbestehen konnten. „Mosaik war für die DDR einmalig. Einen Comic mit so hoher zeichnerischer Qualität gab es sonst nicht.“ Eine Million Exemplare wurden noch Ende der 80er Jahre verkauft. Und die „Bummi“-Bär-Geschichten seien, so Bartsch, Pflichtlektüre in den Kindergärten gewesen.

Für Thomas Kramer vom Institut für Deutsche Literatur an der Berliner Humboldt-Universität, der sich seit Jahren mit DDR-Kinderzeitschriften beschäftigt, ist ein anderer Aspekt von Belang: Wie stark waren die Zeitschriften ideologisch aufgeladen? „Der Comic ,Atze’ war in einigen Teilen eindeutig kriegsverherrlichend“, sagt Kramer. Zudem bot der realistische Zeichenstil der Soldaten-Geschichten, der auf bluttriefende Verbände und schmerzverzerrte Gesichter nicht verzichtete, wenig kindgerechte Unterhaltung. Das sei der eigentliche Grund für das Ende des Heftes gewesen.

Selbst die Kleinkindzeitschrift „Bummi“ war voll von Ideologie. So erklärt sie ihrem drei- bis sechsjährigen Publikum im November 1972, wie schön das Arbeiten ist und dass auch das Huhn nur glücklich und stolz ist, wenn es brav seine Arbeit tut und ein Ei legt.

Auch die „Mosaik“-Comics sind nur scheinbar unpolitisch gewesen, sagt Thomas Kramer. Sie waren von den DDR-Oberen bereits 1955 als Gegengewicht zu den „amerikanischen Schmutz- und Schundheften“ gegründet worden. Zunächst erlebten die Digedags, ab 1976 dann die Abrafaxe – jeweils drei unsterbliche Kobolde – in anderen Ländern und Zeiten Abenteuer. „Mosaik“ war aber immer textlastiger und sollte nicht nur unterhalten, sondern über die Epochen informieren. „Bürgerliche Bildungszeitschrift“ nennt Thomas Kramer das. „Man wollte die Kinder dadurch zum guten Buch erziehen.“

Dass das tatsächlich funktioniert hat, weiß Rainer Gräbert aus eigener Erfahrung. Der Berliner Comic-Händler ist mit den „Mosaik“-Heften groß geworden. „Weil ich immer mehr wissen wollte über die Zeit, in der die Digedags ihre Abenteuer erlebten, bin ich in die Bibliothek gegangen und habe mir Bücher darüber ausgeliehen“, sagt er. Mittlerweile erscheint „Mosaik“ auch in China, Griechenland, Indonesien, Korea, Russland, Slowenien, Tschechien, Türkei, Ungarn und Vietnam. Für Thomas Kramer sind „Bummi“ und „Mosaik“ wertvolle pädagogische Konzepte, die noch heute Bildung auf spielerische Art vermitteln. „Außerdem haben sie familiäre Tradition.“

Das könnte auch der neuen, alten „Frösi“ zugute kommen. Bernd Wishöth baut auf die Eltern und Großeltern, die die Zeitschrift von früher kennen und ihre Begeisterung für die „Frösi“ an ihre Kinder und Enkel weitergeben werden. „Wir machen den Kindern Angebote, wollen ihnen Dinge erklären und sie zum Selbermachen anregen.“ Vergleichbar also mit dem Gruner-und-Jahr-Produkt „Geolino“. Einen Trend zur Wiederbelebung ehemaliger DDR-Kinderzeitschriften wird es wohl eher nicht geben, da sind sich die Experten einig. „Die Nachfrage nach DDR-Titeln nimmt aber schon zu“, sagt Rainer Gräbert. Mehrmals am Tag kommen Kunden in seinen Comic-Laden in Friedrichshain und verlangen „Mosaik“, „Bummi“ oder eine alte Ausgabe der „Frösi“ — für die Neugründung der Kinderzeitschrift ein hoffnungsvolles Zeichen.

Birte Hedden

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