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Rolf Seelmann-Eggebert, der Nestor der Hofberichterstattung.

© ARD

Windsor-Hochzeit im Fernsehen: König Rolf und die Royal-Roulade

Nur Alt-Experte Rolf Seelmann-Eggebert kann in den vielen Live-Sendungen zur Hochzeit von Kate und William überzeugen. Für den Rest bleibt nur: üben, üben, üben.

Entweder ganz oder gar nicht. Entweder ist eine Fernsehstation dem royalen Theaterdonner gewachsen oder sie möge sich ausblenden für immer. Sechs (in Worten: sechs) Sender hatten sich das Spektakel in London zugetraut, aber ihm gleichgekommen über die lange Strecke ist nur das Erste. Es mag einem vernunftorientierten Republikaner unverständlich erscheinen, warum sich ein Journalist diesem „Happiness Business“ verschrieben hat, wahr ist zugleich, dass allein Rolf Seelmann-Eggebert, 74 Jahre alt und unheilbar von Adelsallergie befallen, das Momentum erfassen kann. Er weiß viel, wahrscheinlich alles, er ist der Zeremonienmeister für das unwissende Publikum, er anekdotisiert die im Vergleich zum Schweden-Shuffle langweiligen Bilder zu einer Soap royal zusammen, er ist nach jahrelangem Einsatz eine (oh ja) Respekt gebietende Marke. Wir – auch „RSE“ spricht nur noch im Pluralis majestatis – fordern, dass diese formidable Erscheinung bei nächster Gelegenheit auf dem Balkon von Buckingham Palace auftaucht und der Queen knicksend den Dank der ergebenen deutschen TV-Zuschauerinnen überbringt. Dass „RSE“ in jedem Republikaner plötzlich einen Monarchisten sah, das ist durch seine überbordende Euphorie entschuldigt.

Also, die ARD hat sich bei diesem Event jenseits aller Realität angemessen geschlagen, royal war royal. Mareile Höppner trat zur Seite, wenn Seelmann die Stimme erhob, Barbara Schöneberger hatte wenig genug Auftritte, um sich nicht bis auf die Knochen als Royal-Roulade zu blamieren. Für sie wie für alle Reporterinnen steht jetzt fest: Auf einen Kopf deutscher Machart passt nichts, was die Frisur (so vorhanden) bedecken soll.

Was sonst, namentlich beim ZDF, bei Sat 1 und RTL geschah, das kann so nicht stehen bleiben. Fangen wir beim Zweiten an. Üben, üben, üben – das und nur das kann die Losung für Karen Webb und Norbert Lehmann sein. Gerade Lehmann hätte gar nicht vor die Kamera treten dürfen. Der radebrecht Englisch, der stolpert durch seinen Text, der erkennt kaum einen Promi. Es muss ihm auch nahegebracht werden, dass er mit dieser Ananas-Frisur, erzeugt über zwei Pfund Margarine im Haar, mehr dem Fußball-Luden Christiano Ronaldo gleicht als einem Royal-Reporter. Durch die Straßen sprang unterdessen ZDF-Fernsehgärtnerin Andrea Kiewel. Wer auch immer diese Idee hatte, der muss sich in Grund und Boden schämen. Wir hoffen, dass uns die Briten die Auftritte dieses Knallbonbons aus dem Mainzer Karneval verzeihen. Wenn die Informationen stimmen, dann wird das ZDF die nächste Adelshochzeit, sie findet am 2. Juli in Monaco statt, ohne ARD übertragen. Alarm! „RSE“, hilf!

„Er trägt Rot!“, „Das ist Harry, er trägt Handschuhe!“, „Beim Ja-Wort kam die Sonne durch!“, „Gänsehaut!“, bei RTL und Sat 1 war die Emotion pur. Laut und lärmend – der Daueroptimismus der Mittelmäßigen ist bei beiden Privatsendern zu Hause. Der RTL-Reporterin Silke Haas müsste nur mal so gesteckt werden, dass sie beim Fernsehen arbeitet, heißt, wenn sie Kutschen und Karossen noch nicht um die Ecke kommen sieht, dann hat sie der Zuschauer längst im Blick. Die Drama-Queens des Ereignisses, Katja Burkard und Frauke Ludowig, können nur Superlativ. Alle sind superglücklich, das Brautkleid ist superschön, die Stimmung ist supertoll. Warum darf der Zuschauer nicht selber entscheiden, ob und in welchem Ausmaß ihn die britische Seifenoper gefangen nimmt? Die wenigen Augenblicke, die in dieser Inszenierung lebensecht, tatsächlich authentisch sind, werden unter einer Schnulz-undSchmalz-Lawine begraben.

Selbiges gilt für Sat 1. Das war schon putzig, wie die Truppe da im Heimatstudio saß und die Hempels-unterm-Sofa-Nummer durchspielte. Durch die Isharegossip-Lady Sibylle Weischenberg kippte die Sat-1-Klamotte schnell und dann endgültig Richtung „Ein Herz und eine Seele“.

Soll man nicht glauben, aber die Show royal hat größte Teile des deutschen Fernsehens überbeansprucht. Joachim Huber

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