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Wir glotzen TV: Rudelgucken, Festplatte, Lust

Der Fernsehkonsum erreicht 2010 Rekordniveau. Das hat statistische Gründe – aber nicht nur.

Das war ja klar. Im Kreis der Freunde und Bekannten will es keiner gewesen sein, keiner die Verantwortung dafür übernehmen. Trotzdem, das Faktum bleibt, der Fernsehkonsum der Deutschen ist im Jahr 2010 auf einen neuen Rekord gesprungen. Die Zuschauer sahen im vergangenen Jahr täglich 223 Minuten fern. Das ist nach Angaben der ARD-Medienforschung der höchste Durchschnittswert der Fernsehgeschichte. 223 Minuten pro Tag und pro Nase sind rund elf Minuten mehr als 2009 (212 Minuten) und 16 Minuten mehr als 2008 (207 Minuten).

Mehrere Effekte kommen für das Rekordergebnis zusammen. ARD-Medienforscher Stefan Geese nennt zunächst eine Änderung der Erhebungsgrundlagen. Seit dem 1. Juli 2009 werden in den 5640 repräsentativ ausgewählten Haushalten mit 13 000 Mitgliedern, mit denen für ganz Deutschland das Fernsehverhalten bestimmt wird, auch die Gäste mitgezählt und hochgerechnet. Freunde, Verwandte, Bekannte, die sich vor allem bei Übertragungen von Fußball-Spielen wie bei der WM einfinden. Aber dieses „Event-Fernsehen“ ist längst nicht mehr auf den Sport begrenzt, auch der „Tatort“ oder Serien wie „Desperate Housewives“ oder Shows wie „Deutschland sucht den Superstar“ werden zu mehreren geguckt.

Gerade die Serien sind es, die die Fernsehnutzung treiben. Immer mehr Deutsche wollen beispielsweise die neueste Folge von „Dr. House“ nicht verpassen, zugleich nicht am Dienstag um 21 Uhr 15 vor dem Bildschirm sitzen, sobald die Ausstrahlung der US-Serie bei RTL startet. In solchen Fällen findet das Lieblings-Fernsehen zeitversetzt, zeitverzögert statt, unter anderem mithilfe eines Festplattenrekorders.

Auch dieser Fernsehkonsum geht erst seit dem 1. Juli 2009 in die Erhebung mit ein. Beides zusammen genommen, die Messung des „Gäste-Fernsehens“ wie auch des zeitverzögerten Schauens, summiert sich ungefähr auf fünfeinhalb Minuten, sagt Medienforscher Geese. Dieses Kontingent macht etwa die Hälfte des Zuwachses um elf Minuten im Jahr 2010 aus.

Die Zahlen, wie sie die Meßgeräte liefern, werden übrigens gegengecheckt – intern und extern. Über Stichproben wird im Panel der repräsentativ ausgewählten Haushalte telefonisch nachgefragt, wie viele Menschen gerade welches Programm schauen. Ein Abgleich mit den Eingaben im Messgerät zeigt eine Übereinstimmung zwischen 90 und 95 Prozent. Dieser Wert wird auch erzielt, wenn in weiteren Haushalten, die nicht zum Mess-Panel gehören, das Fernsehverhalten abgefragt wird. Der gemeinsame Schluss daraus, dass die ausgewählten für die Gesamtheit aller Haushalte stehen können, ist zulässig.

Die gestiegene Lust auf Fernsehen ist jedoch nur zur Hälfte den ausgeweiteten Erhebungsmethoden geschuldet. Das Medium konnte im vergangenen Jahr seine Atraktivität steigern, womit sich das zweite Plus von fünfeinhalb Minuten erklärt. Die gewachsene Befriedigung von Zuschauerbedürfnissen ist nicht einseitig den öffentlich-rechtlichen oder den privaten Programmen zuzurechnen, der Effekt streut über das gesamte System.

Die Zuwächse verteilen sich über alle Alterssegmente, wobei die Gruppe der 30- bis 39-Jährigen mit einem Plus von 15 Minuten gar die Spitzenreiter bei der Sehdauer, die Menschen über 65 Jahre, übertrifft. Und selbst bei der „Generation Internet“, den 14- bis 29-Jährigen, ist die Nutzung des Fernsehens 2010 leicht geblieben, 136 auf 142 Minuten, wie die AGF/GfK Fernsehforschung meldet.

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