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Medien: Wir können alles

Der Art Directors Club hat seine begehrten Awards vergeben. Einer davon geht nach Baden-Württemberg

Eine dunkle Straße, auf dem Bordstein hockt eine menschliche Gestalt, sie brennt lichterloh, die Flammen schlagen hoch in den Himmel . Am unteren Rand des Plakates prangt eine Armbanduhr, das dazugehörige Logo ist gut sichtbar positioniert. „Bring dich lieber um, statt diese Uhr zu kaufen, oder was soll das heißen?“, ruft Jean Etienne Aebi von der Bühne ins Publikum. Sieht so gute Werbung aus? In der letzten Viertelstunde hat der Schweizer Kreativchef der Agentur Publicis und Gastredner bei den „Visions“, der Nachwuchsveranstaltung im Rahmenprogramm des Art Directors Club (ADC)- Wettbewerbs, die „großen Fehler und Irrtümer“ der Werbebranche an die Wand der Columbiahalle geworfen - und dabei nicht vor preisgekrönten Kampagnen halt gemacht. So könnten sich auch die Gewinner der begehrten ADC-„Nägel“ irgendwann einmal als schlechtes Beispiel auf einer Leinwand hinter Aebi wiederfinden. Doch an diesem Wochenende wurde erst einmal kräftig gefeiert. Elf Goldmedaillen in neun verschiedenen Kategorien hat die ADC-Jury vergeben, dazu kommen 48 Silberne Nägel, 88 Bronzene und 254 Auszeichnungen.

So wurde in der Kategorie „Publikumsanzeigen“ die BMW X5-Anzeige mit dem Titel „Pferdestärken“ von der Agentur Jung von Matt/Alster mit einem goldenen Nagel bedacht. Sie hatte vor kurzem erst den Preis „Anzeige des Jahres“ bei den Lead-Awards abgeräumt. Das Werbeplakat zeigt eine Herde von Pferden im Licht zweier Scheinwerfer. „Schon als Kind hat man sich PS so vorgestellt - beruhigend, dass es bei BMW auch so ist“, kommentiert der zuständige Jury-Vorsitzende Mathias Jahn die Entscheidung der Juroren. Die Agentur TBWA konnte sich über zwei goldene Nägel freuen. Ihr Werbespot für die Sony Playstation 2, der eine Menschenmenge zeigt, die sich zu einem riesigen Berg aus Körpern auftürmt, wurde als bester TV-Spot und als bester Kinowerbefilm ausgezeichnet. Bei den Zeitschriften lag das Kulturmagazin „Du“ weit vorn. Sowohl in der Kategorie Zeitschriftengestaltung, als auch für eine Ausgabe, die 22 verschiedene David-Bowie-Titelbilder zeigte, strich der „Du“-Verlag die Gold-Trophäe ein.

Dass Scholz & Friends Berlin, die Agentur des ADC–Präsidenten Sebastian Turner, ebenfalls einen golden Nagel für den besten Werbetext für die Anzeige „Testsieger Ulm“ in der Imagekampagne des Landes Baden-Württemberg gewann, dürfte allerdings nicht bei allen in der Werbebranche auf Zustimmung treffen. Die Anzeige kürt beim Vergleich der Metropolen Hollywood, Rio und London das Städtchen Ulm zum Gewinner - schließlich lebte in Hollywood der TV-Hund Lassie, Ulm kann sich aber auf Albert Einstein als ehemaligen Einwohner berufen. Gerade um diese Kampagne hatte es im Vorfeld des 40. ADC-Wettbewerbs viel Wirbel gegeben. Denn die Wahl des Auftraggebers der Kampagne mit dem Slogan „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“, Staatsminister Christoph Palmer, zum Kunden des Jahres war in der Branche seit Monaten umstritten. Zwar wurde die Werbekampagne seit 1999 national und international schon 17 Mal ausgezeichnet, aber einige Branchengrößen warfen dem ADC Mauschelei bei der Abstimmung im Herbst vor.

Überhaupt scheint der Eliteverein kurz vor seinem 40. Jubiliäum von Querelen und Skandalen gebeutelt zu sein. Gerade rechtzeitig zur gestrigen großen Award-Show konnte der interne Streit um die Gültigkeit der Wahlen zum ADC-Ehrenmitglied 2003 beigelegt werden. Die von dem ADC-Mitglied Rulf Neigenfind angefochtene Wahl von Designprofessor Michael Schirner soll nun auf der nächsten Mitgliederversammlung in einem „satzungskonformen Wahlgang" bestätigt werden. Neigenfind hatte wochenlang mit einer eigens kreierten Webseite gegen die Ehrung von Schirner protestiert.

Zumindest der Beanstandung vieler Kritiker, der ADC vergebe zu viele Nägel, konnte der ADC-Vorsitzende Sebastian Turner in diesem Jahr nackte Zahlen entgegensetzen. Zwar waren es noch ganze 401 Auszeichnungen, die der Verein vergab. Doch trotz vier Prozent mehr Einsendungen sind das immerhin 91 Preise weniger als im Vorjahr. Laut Turner habe es im Wettbewerb nicht an Qualität gemangelt - im Gegenteil, es habe noch einen Qualitätssprung gegeben. Man habe sich aber der Kritik gestellt.

„Ich habe den Juroren empfohlen, strenger zu urteilen, und sie sind dem gefolgt“, sagt Jury-Chairman Werner Butter. Außerdem wurden zum ersten Mal 80 Einsendungen auf Plagiatverdacht geprüft, denn in den vergangenen Jahren hatten Preisträger ihre Nägel aus diesem Grund nach der Verleihung zurückgeben müssen. So gesehen hat die Werbelegende Aebi im kommenden Jahr vielleicht etwas weniger zu kritisieren.

Johanna Rüdiger

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