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Twitter bietet zur WM spezielle Übersichtsseiten an - nach dem Muster ARGvsSui-

© Tsp

WM 2014: Twitter oder TV - was ist besser?

Im Sekundentakt kommentieren Twitter-Nutzer die Fußball-WM. Kann der Nachrichtendienst den Live-Kommentar des Fernsehens ersetzen? Ein Versuch beim Achtelfinal-Spiel Argentinien gegen Schweiz.

6,9 Millionen Tweets tauschten die Twitter-Nutzer während des Spiels Deutschland gegen Algerien aus. Den absoluten Höchststand erreichte die Twitter-Aktivität beim 2:0 von Mesut Özil. Knapp 120.000 Tweets in der Minute meldete der Kurznachrichtendienst danach. Da stellt sich die Frage: Ist der Fußball-Fan möglicherweise besser über ein Spiel informiert, wenn er den TV-Kommentator stumm schaltet und zum Fernsehbild den Twitter-Nachrichtenstrom verfolgt?

Wir haben den Versuch gleich am nächsten Tag gemacht. Twitter bietet dazu zwei Möglichkeiten: Um nur Tweets zum Spiel Argentinien gegen Schweiz zu sehen, wird entweder über den Hashtag #ARGSUI gefiltert. Oder man nutzt die Extraseiten, die Twitter zu jeder WM-Begegnung anbietet.

Im Fernsehen kommentierte ZDF-Mann Oliver Schmidt das vorletzte Achtelfinalspiel dieser WM. Der ZDF-Kommentator ist für eine schnörkellose und unaufdringliche Begleitung des Geschehens bekannt. Bei der Beurteilung der Kommentatoren-Leistungen schneidet Schmidt darum auch besser ab als einige seiner Kollegen. Das sonst übliche Kommentatoren-Bashing auf Twitter bleibt ihm an diesem Dienstag erspart.

Wenn es um zweifelhafte Kommentare geht, ist Twitter nicht besser als das Fernsehen. Bereits nach 20 Spielminuten riecht es für einige Twitterer “nach Verlängerung oder später Lucky Punch”. Immerhin: Die ganz unterirdischen Tweets werden entweder herausgefiltert oder kommen nicht vor. Viele Twitterfans sind ohnehin eher mit den weniger spielentscheidenden Fragen - Grasflecken auf hellen Hosen und neonfarbenen Schuhen - beschäftigt.

Mehr als Tweets. Twitter bietet auch etwas fürs Auge

Twitter bietet durchaus auch etwas fürs Auge: Grafiken über Ballbesitz, Mannschaftsaufstellungen, die Ansichten des außergewöhnlichen Stadions von Sao Paulo und natürlich jede Menge Fan-Selfies vor allem in den Farben Himmelblau und Weiß. Der offizielle Twitter-Account der Fifa liefert zwischendrin attraktive Fan-Ansichten. und die wichtigsten Szenen werden als Kurz-Videos eingespielt. Auf die Zuverlässigkeit der Informationen kann man sich verlassen. Neben den Hunderttausenden von privaten Twitter-Nutzern schicken viele nationale und internationale Medien ihre Tweets raus, darunter ZDF, Sport 1, BBC Sport, ARD-Sportschau, SRF-News. Neben den Spielbewegungen gibt es interessante Hintergrund-Informationen: “Messi spielt sein 90. Länderspiel für Argentinien, eins weniger als Diego Maradona”, schreibt Messistats. Überhaupt: Der Messi-Faktor ist erwartungsgemäß hoch an diesem Abend. ZDF-Sport berichtet kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit von den Rangeleien zwischen brasilianischen und argentinischen Zuschauern. "Man mag sich halt nicht."

Bei Twitter herrscht hohes Tempo. So viel Geschwindigkeit würde man sich von manchen Spielen wünschen. Kaum hat man die neuesten Einträge überflogen, warten schon wieder mehrere Dutzend Tweets - und das bereits in der vorgefilterten Variante, in der nur die Top-Einträge angezeigt werden. Wer im Nachrichtenstrom unterzugehen glaubt, kann selbst filtern. Sinnvoll zum Beispiel: Alle Personen, In Deiner Nähe.

Twitter ist nicht nur informativ, sondern auch unterhaltsam. Weniger mit Blick auf Argentinien, denn die Gaucho-Metaphern nerven nur. Bei der Schweiz laufen die Twitter-Nutzer hingegen zu besserer Form auf. “Das wird ARG liebe SUI”, schreibt ein Nutzer. “Hat die Schweiz nicht per Referendum zu viele Gegentore verboten?” und “Hat da einer das Matterhorn als Frisur?” lauten zwei weitere. Kommentare zu Alpenpässen und dem Bankgeheimnis werden ebenfalls nicht ausgelassen. “0 Toleranz für Verlängerungen” und ähnliche Tweets häufen sich in der regulären Spielzeit.

Unparteiisch ist Twitter nicht

Unparteiisch ist Twitter nicht. Der Hashtag #hoppschwiiz kann es beinahe mit #WM2014 aufnehmen. In den deutschsprachigen Tweets gibt es verständlicherweise viel Sympathie für den Underdog Schweiz: Reiner Calmund retweetet einen Kommentar, in dem den Schweizern die Daumen gedrückt werden. Und noch ein Calmund-Retweet: “Den muss man machen #Xhaka”. Schade, dass die Schweizer Spieler die ganzen virtuellen Anfeuerungsrufe nicht hören konnten.

Fazit: Twitter ist eine nette Ergänzung zum Live-Bild, Second Screen eben. Aber das Spiel gibt der Nachrichtendienst nicht im Ansatz wieder. Was allerdings auch verständlich ist. Je spannender es wird, desto mehr sind auch die Twitter-Nutzer mit dem großen TV-Bildschirm beschäftigt. Denn wer sich zu stark auf den Tweeter-Feed konzentriert, verpasst schnell mal einen Torchance oder einen Konter. Wer ein Spiel sehen will, soll das Spiel sehen und nicht die ganze Zeit auf Twitter starren. Vor allem, wenn es dann so spannend wird wie dieses Achtelfinale in Sao Paulo, das die Schweiz dann unglücklich in der 118 Minuten verloren hat. Am Ende hat Twitter 6,3 Millionen Tweets zu #ARGSUI notiert. Kurt Sagatz

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