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Beim Thema Rasen muss der "Fachmann" ran, heißt es im ZDF Beitrag. Da kann sich Nationalspielerin Lena Goeßling über zu viel Granulat beschweren, wie sie will.

© Tsp

WM im Fernsehen: Sender mit Frauen und Fußball überfordert

Nach einer Woche Weltmeisterschaft wird offensichtlich: Die Fernsehsender sind mit dem Thema Frauen und Fußball noch immer überfordert.

Es läuft die 61. Minute, Deutschland gegen Norwegen am späten Donnerstagabend. Die Norwegerinnen gleichen mit einem Freistoß-Traumtor von Maren Mjelde aus. „Drinne! Ein Suupertor!“, jubelt ARD-Reporter Bernd Schmelzer, der sich immer gerne der künstlichen Emphase hingibt. Dann aber empfiehlt er dem Team ein „charmanteres“ Spiel – einen solchen Tipp hat es für eine Männermannschaft bisher wohl noch nie gegeben. Nur ein Beispiel dafür, dass die TV-Sender Frauen und Fußball nicht richtig zusammenbekommen. Die Bilanz nach einer Woche Fußballweltmeisterschaft zeigt: ARD, ZDF und Eurosport, die das Turnier aus Kanada übertragen, scheitern weiterhin am unverkrampften Umgang mit dem Thema.

Die ARD wirbt mit glitzernden High Heels

Das fängt schon bei den Trailern an. Die ARD zeigt glitzernde Stöckelschuhe nebeneinander aufgereiht, am Ende steht ein Paar Fußballschuhe, eine Frauenstimme raunt dazu: „Die High Heels für die besonderen Momente“. Wahrscheinlich muss man froh sein, dass die Fußballschuhe nicht noch rosa waren, denn so wie „Frau“ ausschließlich High Heels trägt, so ist Rosa ihre Lieblingsfarbe. Die ARD wollte das Thema Frauen und Fußball wohl „mit einem Augenzwinkern“ aufgreifen, aber bekanntlich geht das selten gut, wie auch das ZDF weiß.

Nach dem Ärger um den Waschmaschinen-Clip zur EM 2013 ist der Mainzer Sender lieber vorsichtig und zeigt im Trailer, wie Nationalspielerin Kim Kulig bei einem Gartenfest mit dem Ball die Torwand durchlöchert, zwei Männer gucken blöd – die Zuschauer auch. Denn mit dem Turnier hat das herzlich wenig zu tun.

Die Fifa pfeift den schwedischen Sender TV4 zurück

Auf so verrückte Ideen wie der schwedische Sender TV4 würden die Öffentlich-Rechtlichen nicht kommen. TV4 wollte das Turnier unter dem Titel „Fifa Fußball Weltmeisterschaft 2015“ übertragen – schließlich hieß das Turnier der Männer „Fifa Fußballweltmeisterschaft 2014“. Da wären die Funktionäre des Weltfußballverbandes vor Schreck fast in den Züricher See gefallen. Umgehend pfiff der Verband die Schweden zurück, berichtete das „Handelsblatt“. Es müsse „Fifa Frauenweltmeisterschaft 2015“ heißen – von Fußball darf in diesem Zusammenhang offensichtlich keine Rede sein.

Mit dem Amphibienbus geht nicht nur die Nationalelf baden, sondern auch die Frauen-Fußballberichterstattung des ZDF.
Mit dem Amphibienbus geht nicht nur die Nationalelf baden, sondern auch die Frauen-Fußballberichterstattung des ZDF.

© Tsp

Beim Ausmaß der TV-Übertragungen wird immerhin kein Unterschied zwischen Männern und Frauen gemacht. Fast alle der 52 WM-Spiele sind live im Fernsehen zu sehen, das Interesse der Zuschauer zumindest bei den Spielen mit deutscher Beteiligung groß: 7,09 Millionen Menschen (Marktanteil: 33,9 Prozent) verfolgten ab 22 Uhr im Ersten das 1:1 gegen die Norwegerinnen am Donnerstagabend, das Claus Lufen zusammen mit Ex-Nationalspielerin Nia Künzer lässig anmoderierte. Beim 10:0 zum Auftakt gegen die Elfenbeinküste hatten am Sonntagabend 5,13 Millionen Zuschauer (Marktanteil 23,8 Prozent) im ZDF eingeschaltet.

Beim Rasen muss "der Fachmann" ran

Problematisch ist eher die Berichterstattung rund um das Turnier. Besonders offensichtlich wurde dies nach dem Champions-League-Finale am vergangenen Samstag. Wo vorher Männer als Helden inszeniert und König Fußball gefeiert wurde, ging es bei der Schalte nach Kanada auf Aschenputtel-Niveau weiter. Da konnte ZDF-Moderator Sven Voss noch so sehr beschwören, dass nun ein Ereignis beginne, „das die Fußballfans in aller Welt in den nächsten Wochen in Atem halten wird“. Statt die Aufstellung zu diskutieren, wurde die Mannschaft lieber beim Ausflug im Amphibienbus „Lady Dive“ gezeigt, womit dann auch die Chance auf ernst zu nehmende Berichterstattung baden ging. Lena Goeßling und Anja Mittag durften später vor der Kamera den Kunstrasen in Ottawa begutachten, der von Stadionarbeitern gerade mit einem Haufen Granulat präpariert wurde, was den Spielerinnen nicht gefiel. „Der Fachmann“ aber, so hieß es im Beitrag, konnte sie beruhigen – ein Glück, als Frauen können Goeßling und Mittag von Rasen ja gar keine Ahnung haben.

"Lieber die 3. Liga"

Offen sexistisch geht es auf der Facebook-Seite des Computerspieleanbieters EA Sports zu. Der hatte kürzlich angekündigt, dass bei seinem neuen Fußballspielesimulator „Fifa 16“ erstmals auch Frauenmannschaften dabei seien – was männliche Computerfreunde entsetzt: „So eine scheiße brauch keiner, lieber die 3.Liga in Deutschland machen“, lautete ein Kommentar. „Und in der Karriere fallen dann die Spielerin wegen ihren Tagen aus Oder was?“, ein anderer.

Bei solches Nerds ist wahrscheinlich nicht mehr viel zu retten, bei der weiteren Berichterstattung im Fernsehen dagegen schon. Bis zum Finale am 5. Juli sind es noch drei Wochen. Sonja Álvarez, Markus Ehrenberg

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