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Medien: WM-Übertragungsrechte: Die hohe Kunst der Diplomatie

Zuerst setzen sich zehn Herren in einem Raum zusammen und besprechen einen Plan. Nach Ende der Besprechung sickern erste Details der Sitzung an die Öffentlichkeit.

Zuerst setzen sich zehn Herren in einem Raum zusammen und besprechen einen Plan. Nach Ende der Besprechung sickern erste Details der Sitzung an die Öffentlichkeit. Später bestätigt eine Sprecherin der zehn Herren die durchgesickerten Informationen. Und ganz zum Schluss dieses Prozesses, also am nächsten Tag, verständigen sich die zehn Herren in einer kurzen Telefonkonferenz auf eine knappe Erklärung, die sie via Fax an den Vertragspartner weiterleiten. So ungefähr funktioniert Diplomatie - vor allem in der ARD.

Bei einer viereinhalbstündigen Sitzung in Frankfurt haben sich die insgesamt zehn anwesenden ARD-Intendanten darauf verständigt, dass sie mit dem Vertrag über den Ankauf der TV-Übertragungsrechte an den beiden Fußball-Weltmeisterschaften 2002 und 2006, den der Münchner Rechtehändler Leo Kirch den Öffentlich-Rechtlichen vorgelegt hatte, doch nicht so ganz einverstanden sind. Dienstag mittag landeten dann die Einwände des Gremiums in einem schlanken Fax auf dem Tisch von Kirch-Stellvertreter Dieter Hahn. Der Preis von knapp 250 Millionen Mark für insgesamt 25 Spiele bei der WM 2002 in Japan und Südkorea wäre okay, die ARD-Intendanten wollen ihr digitales Programm, das via Satellit nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa empfangbar ist, nicht verschlüsseln. Dadurch wären nämlich in Deutschland jene Besitzer von Satellitenschüsseln vom ARD-Empfang ausgeschlossen, deren Sat-Receiver kein Zusatzgerät zur Decodierung haben. Nach Angaben der Landesmedienanstalten ist dies bei etwa 380 000 deutschen Haushalten der Fall. Eine Verschlüsselung, so eine ARD-Sprecherin, wäre ein Ausschluss von weiten Teilen der Bevölkerung, "und deshalb für einen öffentlich-rechtlichen Sender nicht machbar".

Und dann haben die ARD-Intendanten auch noch ein Problem mit der so genannten "Strafzahlung" in Höhe von 100 Millionen Mark, die Kirch den Öffentlich-Rechtlichen für den Fall zahlen muss, falls er die Rechte an der Deutschland WM 2006 nicht an ARD / ZDF, sondern an einen anderen Sender abtritt. Nun hätte die ARD für diese Summe gerne eine Bürgschaft - derartiges ist im Vertrag auch nicht vorgesehen.

Innerhalb der Kirch-Gruppe herrscht nun Ratlosigkeit, vor allem was die Verschlüsselung betrifft. Kirch, der bisher erst in wenigen Ländern seine WM-Rechte verkauft hat, fürchtet, dass er in Rest-Europa weniger Geld für seine Rechte bekommt, weil diese dann nicht mehr exklusiv wären. Angeblich hat die Kirch-Gruppe bei ihren bereits abgeschlossenen Verträgen diese Exklusivität zugesichert und muss bei Nicht-Einhaltung eine Strafzahlung leisten.

Außerdem möchte Kirch für die Vertragsstrafe keine Bürgschaft hinterlegen: Derartige Vertragsstrafen hätte es zwar schon bei mehreren Deals zwischen den Öffentlich-Rechtlichen und der Kirch-Gruppe gegeben. Bürgschaften wären dabei aber noch nie verlangt worden, heißt es aus dem Kirch-Land.

Im diplomatischen Schreiben der Intendanten-Runde an die Kirch-Gruppe werden nun erneute Verhandlungen gefordert. Viel Zeit ist dafür nicht: Im derzeit gültigen Vertrag ist ausdrücklich festgelegt, dass Kirchs Angebot nur bis zum 30. April gilt. Bis dahin muss das Vertragswerk von der Intendanten-Runde ratifiziert werden; bis Ende Mai müssen die Verträge dann von den jeweiligen Sendern abgesegnet werden. Sollte es weitere Gespräche geben, muss alles sehr schnell gehen. Bis Redaktionsschluss am Dienstag wurde freilich noch kein neuer Termin ausgehandelt.

Vor diesem Hintergrund befürchten nun einige - auch innerhalb der ARD - dass der Beschluss vom Montag als Indiz dafür zu werten ist, dass der Deal doch noch kippen könnte. "Nach wie vor gibt es einige Intendanten, die mit dem Gesamtvertrag nicht einverstanden sind", so ein ARD-Mitarbeiter, "und die versuchen nun, durch die Hintertür die Sache noch zu kippen."

Tatsache ist, dass Kirchs Forderung nach einer Verschlüsselung keine besonders neue ist. Dieser Passus stand bereits dreimal - im Dezember, im Januar und im März - in den jeweiligen Verträgen. "Da gab es nie Einsprüche", sagt der ARD-Mann.

Falls die ARD doch noch vom Vertrag zurücktreten will, wäre die Verschlüsselungs-Sache jedenfalls ein geeigneter Absprung-Posten. Schon werden Stimmen laut, die die ARD bestärken: Eine Verschlüsselung, so der einhellige Kommentar, wäre aus demokratiepolitischen Überlegungen nicht möglich. Für die ARD klingt das allemal besser, als wenn sie trotz der jüngsten Gebührenerhöhung argumentieren müsste, sie hätte für die WM im eigenen Land kein Geld.

Auch das ist Diplomatie.

Markus Huber

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