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Medien: Wolfram Weimer im Gespräch: "Wir sind nicht berechenbar"

Wolfram Weimer, (36), studierte Geschichte, VWL und Politik in Marburg, Frankfurt und Washington. Danach arbeitete er als Wirtschaftsredakteur, später als Madrid-Korrespondent für die "FAZ".

Wolfram Weimer, (36), studierte Geschichte, VWL und Politik in Marburg, Frankfurt und Washington. Danach arbeitete er als Wirtschaftsredakteur, später als Madrid-Korrespondent für die "FAZ". 1998 ging er zur "Welt", wo er im November 2000 von Mathias Döpfner die Chefredaktion übernahm.

Die "Welt" plant den Gang nach Bayern und will dort die "Süddeutsche Zeitung" attackieren. Wann ist es mit dem neuen Regionalteil soweit?

Wir kommen mit unserem Bayern-Teil schon am 19. Februar. Das langjährige Monopol der "Süddeutschen Zeitung" ruft nach Wettbewerb. Ich sehe in Bayern genug Platz für zwei oder drei Qualitätszeitungen.

Personell überraschte die "Süddeutsche" mit drei Neueinkäufen im Feuilleton. Alle drei kommen sie von der "FAZ", die ihr bayerisches Standbein auch verstärken will.

Daran sehen Sie, dass der Wettbewerb unter den großen deutschen Zeitungen härter wird. Die FAZ hat es im Moment nicht leicht. In Bayern teffen sich die großen drei Qualitätszeitungen zu einer neuen Runde des - hoffentlich fairen - Wettbewerbs. Wir freuen uns darauf, denn die Wechselbereitschaft der Lese-Eliten ist dort besonders hoch.

Will die "Welt" die konservative Alternative zur linksliberalen "SZ" sein?

Wir sind wirtschaftsfreundlich und unideologisch. Wir schreiben für den unternehmenden, weltoffenen Teil der Gesellschaft und setzen auf Themen der Globalisierung, die eben auch mit Regionalisierung einhergeht. Zwei Drittel aller Unternehmen des Neuen Marktes sitzen in und um München. Für die wollen wir eine wirtschaftsfreundliche Zeitung machen.

In den vergangenen Wochen gewann man bei der Lektüre der "Welt" den Eindruck, es gehe ihr um alte ideologische Standpunkte. Als sei sie wieder ein ordentliches Stück nach rechts geruckt.

Nein, definitiv nicht. Das will bei uns niemand, und das wird mit mir auch nicht so kommen. Ihre Frage zielt auf die Fischer-Trittin-Debatte ab. Da haben wir allerdings Position bezogen, und zwar die einer klaren Rechtsstaatlichkeit. Wir halten den Gewaltbegriff für unteilbar. Das Gewaltmonopol des Staates darf von keiner Seite angetastet werden, auch nicht im historisierenden Rückblick. Zudem glaube ich nicht, dass die alten Begriffe "konservativ" und "progressiv" noch greifen. Wenn man mit "konservativ" etwas Retardierendes, Strukturbewahrendes, Ordnungsfixiertes meint, dann ist die "Welt" alles andere als konservativ. Wir sind jedoch sehr wohl konservativ, wenn damit gemeint ist, wir seien wertebejahend und rechtsstaatlich.

Sie haben die Diskussion um die Ereignisse in den ausgehenden 60er und 70er Jahren sehr emotional geführt...

Wir haben die Debatte entscheidend mitgeprägt, das ist richtig ...

Sie haben sie so geführt, als seien Rechts und Links die Kategorien, in denen immer noch alle denken, und haben sich damit den Vorwurf eingehandelt, eine Kampagne gegen die rot-grüne Regierung zu fahren...

ein ungerechtfertigter Vorwurf, denn bei uns konnte man wie in keiner anderen Zeitung die ganze Bandbreite der Debatte verfolgen: von Dahrendorf über Biermann, Sontheimer und Gretchen Dutschke bis Herbert Kremp. Das ist das glatte Gegenteil von Kampagne. Wir sind nicht berechenbar. Schon gar nicht berechenbar links oder rechts. Das sind für mich Scheuklappenbegriffe aus der grauen Vorzeit der Ideologien, verstaubte Begriffe.

Wenn diese Diskussion verstaubt ist - warum führt die "Welt" sie dann?

Das ist überhaupt nicht unser Thema. Bei Fischer ging es um eine ernste Sachfrage. Wir kümmern uns wenig um Klischee-Diskurse. Rechts-Links-Denken ist ebenso Klischee-behaftet wie manche Uralt-Vorurteile über den Springer-Verlag und seine Eigentümer.

Sie erhielten noch nie einen Anruf aus dem Büro von Großaktionär Leo Kirch?

Ich habe von Seiten der Eigentümer noch nie eine Intervention erlebt. Die Freiheit der Chefredakteure wird bei Springer unbedingt respektiert.

Ihr Vor-Vorgänger Thomas Löffelholz war der erste Chefredakteur, der die "Welt" aus der rechts-konservativen Ecke herausgeführt hat. Und wurde dafür massiv von Leo Kirch angegriffen. Sowohl intern als auch öffentlich. Nach ihm kam Mathias Döpfner. Er modernisierte die Optik und sprang auf den New Economy-Zug auf. Ihr Verdienst sollte sein, dem Blatt inhaltliche Substanz zu geben. Heraus kommt die alte 68er-Diskussion. Sind das die Inhalte, die die "Welt" braucht?

Die "Welt" ist dabei, die Meinungsführerschaft im bürgerlichen Lager zu erringen. Wir erzielen die höchsten Auflagenzuwächse aller deutschen Zeitungen. Ich glaube an eine große Zukunft für den Qualitätsjournalismus und Klugheit ist mir wichtiger als politische Parteinahme.

Noch einmal: Sind das die Inhalte, die die "Welt" braucht?

Solche und viele andere. Die "Welt" hat eine lebendige, diskussionsfreudige Redaktion und ist ein überraschendes Blatt. Schon jetzt ist sie ein Magnet für die klügsten Journalisten im Land.

Die "Welt" wurde wahrgenommen, weil sie mitunter boulevardeske Elemente zur Auflockerung nutzte und sich so gut verkaufte. In letzter Zeit kommen aber auffällig viele Redakteure von der altehrwürdigen "FAZ".

Die Faszination der modernen "Welt" gegenüber der altehrwürdigen "FAZ" reizt natürlich vielle Kollegen aus Frankfurt zum Wechsel. Das Besondere an unserer Redaktion ist der einmalige Mix von Kollegen, deren Herkunft aber von der "FAZ" bis zur "taz" reicht. Als nächstes kommt zum Beispiel Ulli Kulke, stellvertretender Chefredakteur von "Mare" zu uns.

Zunehmend werden Stimmen laut, die bei der momentanen Außenwirkung des Verlages nicht gerne bei Springer arbeiten und es sich dreimal überlegen würden, dorthin zu wechseln..

Das hätten manche Konkurrenten vielleicht gerne. Das Gegenteil ist der Fall. Journalisten arbeiten gerne dort, wo mutige Redaktionen sind, wo Debatte, Offenheit und maximale Aufmerksamkeit herrscht. Steine werden immer nur in Bäume geworfen, in denen viele Kirschen hängen.

Apropos Steinewerfen. Ihr Chefkulturkorrespondent Wolf Biermann schrieb in der "Welt", ausgerechnet die "Welt" solle "sich nicht mit journalistischen Steinen aus dem Springer-Glashaus an der Steinigung Joschka Fischer beteiligen". Hält sich die "Welt" Wolf Biermann nicht lediglich als Hofnarren?

Dann wäre unsere gesamte Redaktion eine Schar von Hofnarren. Biermann ist ein großartiger Autor. Und wir wollen Meinungsvielfalt.

Biermann wiederholte in dem angesprochenen Beitrag seine Worte aus einem seiner Lieder nach dem Attentat auf Rudi Dutschke: "Die Kugel Nummer Eins kam aus Springers Zeitungswald".

Waren Sie sich den Auswirkungen des Biermann-Beitrages für das Haus Springer bewusst, als Sie ihn drucken ließen?

Mir war klar, dass der Text heftige Debatten auslösen wird.

Wäre es nicht ein Zeichen von Größe gewesen, wenn sich Springer öffentlich zu Fehlern von damals bekannt hätte? Stattdessen hat sich die "Welt" wieder vom Biermann-Text distanziert.

Sie hat sich nicht vom Biermann-Text distanziert, sondern gegen eine öffentliche Unterstellung gewehrt, es handle sich hierbei um "ein öffentliches Schuldbekenntnis des Konzerns".

Hat der Springer-Konzern in der Zeit der ausgehenden 60er und 70er Jahre etwa keine Schuld auf sich geladen?

Ich bin nicht in der Position, für den Konzern Stellung zu beziehen. Das Ganze ist doch ein durchschaubares Ablenkungsmanöver von bestimmten Regierungsmitgliedern, um alte Gefühle zu reaktivieren.

Die Frage kommt von mir, ich bin kein Regierungsmitglied. Ist es nicht auch ein durchschaubares Manöver von Springer, alte Gefühle gegen "linke Gewalt" zu reaktivieren?

Erstens ist das absurd, zweitens gibt es die Springer-Presse nicht, das ist ein agitatorischer Kampfbegriff. Im übrigen hatte die Regierung nach einem desaströsen ersten Jahr ein sehr gutes zweites. Das dritte Jahr begann mit Ministerrücktritten und dem Bekenntnis des Außenministers. Joschka Fischer hat seine Vergangenheit doch selbst thematisiert, weil ihn ein Gerichtsauftritt erwartete. Man kannte nicht die Form und das Ausmaß seiner Gewalttätigkeit. Es geht um die Frage des Gewaltmonopols des Staates. Das muss sich ein Außenminister gefallen lassen. Die Debatte war nötig.

Sie sprechen von der vor 25 Jahren gezeigten Gewaltbereitschaft eines Menschen, der heute Außenminister ist, heute weder als gewalttätig bekannt ist noch als Feind dieses Rechtsstaats. Mag sein, dass die Debatte nötig war. Half sie denn Springer, die Vergangenheit zu bewältigen?

Ich weiß nicht, ob Springer einen Bedarf hat an Vergangenheitsbewältigung. Die Rolle des Springer-Verlages in der Geschichte der Bundesrepublik ist ja nun eine außergewöhnlich gute.

Wie erklären Sie sich, dass an sich unpolitische Menschen, wenn sie zu Springer gehen, politisch werden und im Zweifelsfall deshalb Springer wieder verlassen?

Springer ist ein Verlag mit einem politischen Bewusstsein. Das zeigt sich schon daran, dass jeder, der hier arbeitet, in seinem Vertrag für die Demokratie essentielle, weltanschauliche Grundsätze unterschreibt.

Haben Sie im Lauf Ihrer fast dreijährigen Zugehörigkeit zu Springer ein größeres politisches Bewusstsein entwickelt?

Ja.

Wodurch kommt der Wandel?

Ich bin verblüfft über die Vehemenz, mit der Springer als Ganzes angegriffen wird. Dieser Angriff ist ungerecht. Das weckt auch in mir politisches Gerechtigkeitsbewusstsein. Es passt politisch manchen, uns in eine Ecke zu drängen. Aber den Gefallen werden wir ihnen nicht tun.

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