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"You dirty Schwein": Was regt ihr euch so auf?

Die britische Boulevardpresse wundert sich über den FC Bayern. Die Überschriften waren zwar geschmacklos, aber weit entfernt von anderen Headlines in "Sun" oder "Mirror".

Sie ist zurück. Die britische Boulevardpresse spielt wieder das alte Lieblingsspiel: Deutschen beschimpfen. So konnte man das zumindest verstehen, als der „Mirror“ und die „Sun“ Überschriften wie „You Dirty Schwein!“ zum Platzverweis des Bayern-Profis Bastian Schweinsteiger beim Champions-League-Spiel gegen Manchester United am vergangenen Dienstag brachten. Der FC Bayern hat sie als „persönliche Beschimpfung“ verstanden und will die zwei englischen Zeitungen fürs Rückspiel nicht akkreditieren. Die „Sun“ hat sich inzwischen verteidigt. Das „Schwein“ soll United-Spieler Wayne Rooney gewesen sein. Das ist auch zu glauben. „Schwein“ ist zwar eines der wenigen deutschen Worte, das alle Engländer kennen, aber nicht als Schimpfwort. Wir Engländer fluchen gut. Auch in Print-Titeln. Aus englischer Sicht waren die Überschriften zwar geschmacklos, aber weit entfernt von manchen Headlines, die sonst in „Sun“ oder „Mirror“ gedruckt werden.

Die Geschmacklosigkeit der britischen Boulevardpresse ist kein neues Phänomen. Durch den Abhörskandal um die „News of the World“ wurde erwartet, dass das etwas besser, etwas geschmackvoller werden würde. Der Leveson-Bericht hat sogar eine Reform der Pressegesetze vorgeschlagen. Offenbar hat das bei der Boulevardpresse nur eine Trotzreaktion ausgelöst. Im Juli 2013 hat die „Sun“ trotz richterlicher Order Nacktbilder vom Prinz Harry in der Printausgabe veröffentlicht. Es war genau die Art von Geschichte, die sie nicht mehr bringen sollte. Aber nach dem Leveson-Bericht hat Rupert Murdoch einen Coup gelandet. Die „News of the World“ ließ der Medienzar fallen und damit als Sündenbock für Fehler seiner verschiedenen Zeitungen gelten. „Guardian“-Chefredakteur Alan Rusbridger beschrieb das Ende der umstrittenen Zeitung als „reinen Vandalismus“ von Murdoch. So konnte dieser den Druck, der auf seinem Imperium lastete, abschütteln und weiterhin denselben Sensationalismus im „News of the World“-Ersatz „Sun on Sunday“ verkaufen.

Mit zweieinhalb Millionen Lesern täglich bleibt die „Sun“ mit Abstand die populärste Zeitung Großbritanniens. Auch der „Sun on Sunday“ hat der schlechte Ruf ihrer Vorgängerin nicht geschadet. Seitdem die „Sun“ eine Paywall auf ihrer Website eingeführt hat, ist der erfolgreiche Printverkauf für die nahe Zukunft noch wichtiger. Um diesen guten Lauf zu halten, ist die alte Sensations-Formel immer noch am effektivsten. Das ist anders beim „Mirror“, der eigentlich kaum vom Abhörskandal betroffen war. Als die „News of the World“ unterging, war das die Gelegenheit für den „Mirror“, zu alter Stärke zurückzufinden. Die traditionell linksorientierte Zeitung verliert seit Jahrzehnten an Popularität.

Warum fühlt sich der FC Bayern so angegriffen

Doch die Chance auf ein Wiedererstarken hat die Zeitung verpasst, weil dem „Mirror“ die Rücksichtslosigkeit und Schamlosigkeit der „Sun“ abgehen. Auch deswegen sorgte nun in England die deutsche Reaktion auf die Schweinsteiger-Kontroverse für einige Verwirrung. Die englische Medienwelt fragt sich: Warum fühlt sich der FC Bayern so angegriffen?

Der Verein fordert von den britischen Zeitungen „Daily Mirror“ und „The Sun“ öffentliche Entschuldigungen in den Printausgaben, um den beiden Medien doch noch Akkreditierungen für das Rückspiel gegen Manchester United zukommen zu lassen. „Sie müssen sich über ihre Zeitungen entschuldigen. Sie haben den großen Weg gewählt, um Bastian zu beleidigen. Wir erwarten jetzt auf demselben Weg eine Entschuldigung“, sagte Medienchef Markus Hörwick am Freitag.

Kein Journalist in England hat mit so einer sensiblen Reaktion des deutschen Vereins gerechnet. Genau so eine Reaktion sorgt allerdings dafür, dass die „Sun“ aggressiv arbeiten kann. Ja, es gibt immer noch ein Problem mit der Schamlosigkeit der britischen Boulevardzeitungen. Das Problem sind allerdings nicht schlechte Witze über den Namen eines Fußballers. Das ist reine Pressefreiheit. Das Problem ist, dass die früheren Machenschaften der „Sun“ und anderer Zeitungen immer mehr in Vergessenheit geraten, während der „Guardian“ sich vorm Parlament wegen der Veröffentlichung der NSA-Akten verteidigen muss. Es gibt ein Problem mit der britischen Pressekultur. Bastian Schweinsteiger ist nicht dessen größtes Opfer.

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