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Youtube: Killt die Gema die Video-Portale?

Der Streit um die Bezahlung der Musikvideos auf Youtube dauert an. Ein Vorschlag zur Lösung.

Der Rechteverwerter Gema und die Video-Plattform Youtube finden bisher keine Lösung in ihrem Streit um die Bezahlung von Musikvideos. Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte will bei den Video-Portalen neue Mindestvergütungsmodelle durchsetzen, die für die Betreiber nicht refinanzierbar und damit existenzgefährdend sind. Eine Alternative könnte sein, etablierte Lizenzmodelle aus dem Rundfunkbereich anzuwenden.

Welchen Preis kann die Gema von Video-Portalen wie Youtube, MyVideo, Clipfish oder Sevenload für Online-Lizenzen verlangen? Ist eine Per-Stream-Vergütung von einem Cent oder eine Prozentvergütung wie im Rundfunkbereich angemessen? Dort zahlt beispielsweise ein privater Radiosender mit einem Musikanteil von zehn bis 35 Prozent – was etwa dem Musikanteil auf den Video-Plattformen entspricht – eine Beteiligungsvergütung von 2,71 Prozent seiner Werbeeinnahmen gemäß des Gema-Tarifs „Radio“. Dies wären zum Beispiel bei zwei Millionen Werbeeinnahmen 54 200 Euro pro Jahr. Ein privater Fernsehsender mit einem Musikanteil von 20 bis 50 Prozent zahlt sogar lediglich 2,25 Prozent seiner Werbeeinnahmen gemäß des Gema-Tarifs „Fernsehen“, weil hier die Musik eher im Hintergrund genutzt wird.

Von den Portal-Betreibern fordert die Gema hingegen nach Presseberichten eine Mindestvergütung von einem Cent pro Musikvideo-Streaming. Dies hat Youtube zum Anlass genommen, Premium-Musikvideos seit dem 1. April 2009 zu sperren. Bei geschätzten 25 Milliarden Video-Streams jährlich auf Youtube in Deutschland, davon etwa fünf Milliarden Musikvideos (ohne die Sperrungen), ergeben sich Lizenzforderungen von 50 Millionen Euro. Ein Betrag, den Youtube nicht durch Werbeerlöse refinanzieren kann. Bankexperten meinen zwar, dass das Video-Portal pro Video-Abruf 0,4 Cent erlösen könnte. Setzt man den Betrag in dieser Höhe an – was für den deutschen Markt zu hoch gegriffen erscheint – würde dies lediglich zu Werbeerlösen von 20 Millionen Euro bei Musikvideos führen.

Hinzu kommt, dass der Tausenderkontaktpreis, also der Preis für tausend Werbekontakte, im Online-Bereich im Sinkflug ist, weil die gesamte verfügbare „Werbefläche“ immer größer wird und deshalb allein für das nächste Jahr ein Rückgang von 20 bis 40 Prozent vorausgesagt wird.

Die hohen Forderungen der Gema scheinen auf den ersten Blick darauf abzuzielen, Video-Plattformen zu verhindern. Tatsächlich steht die Gema unter dem Druck ihrer Mitglieder, vor allem der großen Major-Musikverlage, die ihre Rechte für Online-Nutzungen teilweise bereits aus dem System der Verwertungsgesellschaften abgezogen haben.

So lässt zum Beispiel die EMI die „mechanischen Vervielfältigungsrechte“ für den Online-Bereich von der neuen Gesellschaft Central European Licensing and Administration Service (Celas) geltend machen. Allerdings hat hier das Landgericht München am 25. Juni 2009 entschieden, dass Teilrechte wie das mechanische Vervielfältigungsrecht nicht isoliert geltend gemacht werden dürfen. Dagegen hat Celas Berufung eingelegt. Eine Entscheidung steht noch aus. Darüber hinaus belasten die Gema Umsatzrückgänge im Jahr 2008, vor allem im Bereich von Tonträgern und DVDs, in Höhe von 17,4 Prozent.

Die Musikurheber behaupten, dass an diesen Umsatzrückgängen auch die Video-Plattformen schuld seien, denn hier könnten sich die Nutzer durch gezielte Downloads den Tonträgerkauf sparen. Die Labels hingegen sehen in den VideoPortalen eher eine Marketing-Plattform, denn sie stellen ihnen ihre Musikvideos gegen eine Beteiligung an den Werbeeinnahmen zur Verfügung. Hinzu kommen große Tarifunterschiede auf internationaler Ebene. So beträgt der Streaming-Tarif der englischen Performing Right Society (PRS) für Musikvideos lediglich umgerechnet 0,1 Cent, also ein Zehntel der Gema-Forderung.

Aufgrund dieser Entwicklungen hat die Gema nicht mehr die Zeit, neue Geschäftsmodelle partnerschaftlich mit den Nutzern aufzubauen. Offen bleibt zudem die Frage, ob die Video-Portale für fremde, von den Nutzern eingestellte Inhalte überhaupt haften. Eine gefestigte Rechtsprechung oberer Gerichte zu Portalen wie Youtube gibt es noch nicht.

Die Aufregung um die Video-Plattformen könnte sich legen, wenn man 25 Jahre zurückschaut, als der private Rundfunk in Deutschland eingeführt wurde. Damals haben sich die eingangs genannten Vergütungssätze etabliert. So zahlt zum Beispiel ein Lokalradio mit Werbeerlösen von einer Million Euro und einem Musikanteil von bis zu 80 Prozent einen Vergütungssatz von 6,2 Prozent, nach Verbandsrabatt sogar nur noch 4,71 Prozent der Erlöse und damit 47 120 Euro pro Jahr. Eine Mindestvergütung pro Song gibt es nicht. Allerdings gibt es eine Mindestvergütung nach dem weitesten Hörerkreis (WHK). Bei einer kleineren Berliner Radiostation mit einem WHK von 300 000 Hörern beträgt diese circa 24 000 Euro pro Jahr. Dieses Modell ist angemessen: Es hat bis zum heutigen Tag zu jährlichen Erlösen von fast 100 Millionen Euro bei der Gema im Bereich des privaten Rundfunks geführt. So weit wäre es nicht gekommen, wenn schon in den achtziger Jahren eine Mindestvergütung von einem Cent pro Song und Hörer eingeführt worden wäre.

Ein Radiosender mit einem Musikanteil von 80 Prozent spielt rund 150 000 Songs im Jahr. Multipliziert man dies mit dem WHK von 300 000 aus unserem Beispiel, ergibt dies 45 Milliarden Nutzungskontakte, die bei einem Cent mit insgesamt 450 Millionen Euro zu vergüten wären. Dies würde allerdings das wirtschaftliche Aus des Senders bedeuten. Das hat auch der Bundesgerichtshof so gesehen. Er hat schon im Jahr 1988 in der Entscheidung „Schallplatten Import III“ einen wesentlichen Grundsatz aufgestellt: Die angemessene Beteiligung des Urhebers an der wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke darf nicht so weit gehen, dass sie zulasten des Nutzers in einem unangemessenen Verhältnis überschritten wird. Damals hatte die Gema eine Gebühr gefordert, die höher war als der Umsatz des Nutzers und war damit gescheitert.

Es ist daher allen Beteiligten zu raten, mit demselben Augenmaß an das Geschäftsmodell der Video-Plattformen heranzugehen, das man damals bei der Einführung des Privatfunks bewiesen hat. Dies zahlt sich für beide Seiten aus. Anderenfalls würde das immer noch defizitäre Geschäftsmodell im Keim erstickt.

Der Autor ist Partner im Berliner Büro der internationalen Anwaltskanzlei K&L Gates LLP.

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