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ZDF: Freie Sicht auf den Bücherberg

"Lesen!" mit Elke Heidenreich im ZDF, das war einmal. Wie soll das Zweite künftig mit der Literatur im Programm umgehen? Darauf neun Antworten.

Fundierte Buchempfehlungen hätte ich gern einmal im Monat. Und zwar vor allem über die Bücher, die noch nicht auf den einschlägigen Bestsellerlisten stehen. Zwei, drei, vier Bücher ausführlich vorgestellt würden mir reichen. Dazu noch mal so viel kurz und knackig – und auch gern ein, zwei Verrisse. Einen festen Moderator brauche ich nicht – Elke Heidenreich kann man nicht ersetzen, der Mann von der ARD stellt sich mir zu sehr selbst in den Vordergrund, Frau Fröhlichs Tonalität mag ich nicht ... Mich interessiert viel mehr, was andere interessante Zeitgenossen mir empfehlen möchten: Das kann dann mal ein Schauspieler wie Heino Ferch sein oder eine Schauspielerin wie Katja Flint, gern auch mal so ein Typ wie Dieter Kosslick oder Joschka Fischer. Auch, was ein Chefredakteur wie Kai Diekmann liest, würde mich interessieren, oder eine Fernsehfrau wie Anne Will. Die Fragen könnten gern aus dem Off kommen, also quasi so, als ob der Leser sich durchfragt, um auf den Kern des Buches zu kommen. Ein Stündchen würde ich mir das schon angucken, wahrscheinlich, wenn ich schon im Bett liege, also gern nach 23 Uhr. Danach würde ich dann noch zu einem spannenden Buch greifen, wenn der Liebste es denn zulässt.

— Beate Wedekind, Autorin und Fernsehproduzentin

Es wäre kein Schaden, wenn sich das ZDF darauf besönne, auf das Format „Lesen!“ alsbald eine neue Literatursendung folgen zu lassen. Diese sollte nicht zu nachtschlafender Zeit ausgestrahlt werden, die anregende Streitkultur des „Literarischen Quartetts“ aufgreifen, Bücher mit anderen Adjektiven als „wunderbar“ zu etikettieren, keine Marcel-Reich-Ranicki-Reanimation sein und vor allem nicht von prominenten Fernsehgesichtern präsentiert werden, die „Metapher“ für ein neues Eau de Toilette aus Paris halten.

— Rainer Moritz, Leiter des Literaturhauses Hamburg e. V. und Autor

Empfehle dem ZDF zweiwöchig um 22 Uhr eine Büchershow unter der Federführung von Denis Scheck mit wechselnden Gästen. „Das Rolltreppenmännchen“ (Heidenreich), über das Reich-Ranicki sagt: „Ich kann den nicht leiden“, ist originell, wiedererkennbar und für seine gemütliche schwäbische Mundart manchmal erschreckend rigoros. Er darf sich versprechen, er darf alberne Krawatten tragen, und in seiner letzten Sendung stand Scheck mit einem Anzug bis zur Brust in einer warmen Quelle und interviewte einen nackten isländischen Autor. Das war großartig.

— Else Buschheuer, Fernsehmoderatorin, Autorin und Bloggerin

Als Verleger eines kleinen literarischen Verlages wie auch in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vorstands der Arbeitsgemeinschaft deutscher Publikumsverlage kann ich die abrupte Absetzung der für so viele Leserinnen und Leser, Autoren und Verlage bedeutenden Literatursendung „Lesen!“ nur bedauern. Denn „Lesen!“ war wichtig für viele Menschen auf ihrer Suche nach dem richtigen Buch in einer Zeit, in der es schwerfällt, gerade dieses richtige Buch unter den Abertausenden in den anonymer werdenden Buchhandlungen für sich zu finden. Frau Heidenreich, die eine große Leserin ist, gab in dieser Sendung Lektüreempfehlungen, auf die ihre Zuschauer vertrauten. Gute und sehr gute Autorinnen und Autoren fanden sich hier erstmals einem größeren Publikum präsentiert, nicht wenigen kleineren Verlagen rettete die Vorstellung eines Buches bei Heidenreich die schwarze Null in der Bilanz am Jahresende.

Frage ist, wie die vom ZDF angekündigte Fortsetzung einer Literatursendung aussehen mag. Eine neue „Heidenreich“ wird es nicht geben, auch kein neues „Literarisches Quartett“. Diese Sendungen waren zu sehr durch ihre Moderatoren geprägt. Aber warum versucht man es nicht einmal mit dem System „Pivot“, mit jener einmal sehr erfolgreichen französischen Literatursendung „Apostrophe“, in der der Moderator mehrere Autoren um einen Tisch versammelte, die ihre Titel selbst vorstellten und gemeinsam diskutierten? Das wäre einen Versuch wert.

— Joachim Unseld, Frankfurter Verlagsanstalt

Mit der Absetzung der Sendung „Lesen!“ eröffnet sich dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen die Chance, eine neue Literatursendung zu schaffen, die nicht nur Bücher anpreist, sondern sie auch kritisch diskutiert. Dabei müssen die Gremien des ZDF nicht einmal neue Konzepte entwickeln. Sie sollten sich als Arbeitsgrundlage einfach nur rückbesinnen auf die wohl anschaulichste, unterhaltsamste und gleichzeitig kritischste Sendung, die es zur Literatur im Fernsehen gab: „Das Literarische Quartett“. Auch heute gibt es genügend Personen, die Literatur im Fernsehen auf unterhaltsame und kritische Weise vermitteln können, man denke nur an Roger Willemsen, Denis Scheck oder Martin Lüdke.

Dass die Verlage Sendungen bevorzugen, in denen ihre Bücher gelobt werden, kann man ihnen nicht verdenken. Doch es sollte nicht der Maßstab von Sendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sein.

— Klaus Staeck, Präsident der Berliner Akademie der Künste

Ich stelle mir vor: Denis Schecks Sendung „Druckfrisch“ wird auf 22 Uhr in der ARD vorgezogen und um 15 Minuten verlängert. Das wäre ein höchst unterhaltsames Magazin, in dem von einem echten Kenner Bücher empfohlen werden (also ein guter Ersatz für Heidenreichs „Lesen!“).

Darüber hinaus sollte dann das ZDF ein Format entwickeln, das zwischen dem alten „Literarischen Quartett“ und „Apostrophe“ in Frankreich liegt, also eine Debattensendung über Bücher, die dem Medium Buch gerecht wird – für literarische Veröffentlichungen wie für Sachbücher, auch politische Sachbücher. In solchen Debatten würde das Buch ernster genommen als in Talkshows, in denen die Bücher immer nur Aufhänger für Personenporträts sind (und die Autoren in jedem Satz sagen: „Wie ich in meinem Buch schon ausgeführt habe ...“) Man bräuchte zwei bis drei feste Teilnehmer mit literarischer und kultureller Autorität sowie TV-Tauglichkeit (keine geheimen Verachter des Mediums), dazu jeweils ein oder zwei Gäste, zum Beispiel Experten, Autoren oder auch mal einen Verleger ...

Das wäre es – Einschaltquote würde ich garantieren!

— Helge Malchow, Geschäftsführer beim Verlag Kiepenheuer & Witsch

Autoren mögen glanzvoll schreiben, sind aber häufig nicht die idealen Gesprächspartner in einer Fernsehsendung. Deshalb wünsche ich mir zwei Kritiker ganz unterschiedlicher Natur in einer regelmäßigen Sendung. Sie unterhalten sich, sie streiten, einer davon flippt mal aus, die andere Person wird mit Ironie und Freundlichkeit darüber hinweggehen. Und da stelle ich mir als Idealbesetzung vor: Felicitas von Lovenberg, die kluge, witzige und zur Ironie fähige Literaturchefin der „FAZ“, und der ebenso kluge, witzige und flippige Matthias Matussek vom „Spiegel“. Das wird anregend, lustig und unerwartbar.

— Ulrich Wickert, Moderator, Fernsehproduzent und Herausgeber von zoomer.de

Die Sendung des SWR „Literatur im Foyer“ soll ab Januar aus einem etwa zwanzig Minuten langen Gespräch mit einer Schriftstellerin, einem Schriftsteller bestehen und wöchentlich gesendet werden. Wenn man dieses Gespräch, bei dem pro Jahr dann zirka 50 Autorinnen und Autoren zu Wort kämen, an einem festen Tag der Woche unmittelbar nach dem „heute-journal“ senden würde, hätte man ohne großen Aufwand einen kulturellen Quantensprung erreicht.

— Ingo Schulze, Schriftsteller

Das ZDF hat jetzt gleich zwei wunderbare Optionen: Es kann gewissermaßen zurück in die Zukunft und übt sich im Zitat-Pop. Oder es unternimmt einen radikalen Formatwechsel. Ersteres würde eine Wiederauflage des „Literarischen Quartetts“ bedeuten, der wahrscheinlich besten und unterhaltsamsten Literaturfernsehsendung aller Zeiten. Drei feste Literaturkritiker, die natürlich nicht Reich-Ranicki, Löffler und Karasek heißen, und ein jeweils wechselnder Gast, der vielleicht selbst kein Literaturkritiker, sondern „nur“ Literaturliebhaber sein müsste. Wenn vier sich streiten oder einig sind, ist das in jedem Fall besser, lehrreicher, unterhaltsamer und literaturgerechter, als wenn lediglich eine oder einer ein Bücherhochamt ausübt.

Die andere Variante erforderte natürlich mehr Mut. Sie hätte was von einer echten Dissonanz im TV-Dauerrauschen. Eine Stunde lang, am besten jeden Freitag nach dem „heute-journal“, Literatur live. Nämlich Lesen, also Vorlesen aus neuen Büchern, Romanen wie Sachbüchern, die vorher ganz kurz vorgestellt werden, die Auswahl will ja erklärt sein. Vielleicht aus drei Büchern je zwanzig Minuten, oder aus zweien je dreißig Minuten. Gute Vorleser und Vorleserinnen gibt es genug, das beweist der weiterhin munter vor sich hin boomende Hörbuchmarkt. Noch besser wäre es, die Lesung käme aus dem Off (wider das TV-Starsystem!) und es gäbe nur ein Standbild – vielleicht das Buch, aus dem gelesen wird, platziert auf einem Tisch vor dunklem Hintergrund. Kontemplation, gesammelte Konzentration. Das wäre was!

— Gerrit Bartels, Literaturredakteur

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