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Neuer Job, neues Glück? Ina Roth (Petra Schmidt-Schaller), Mitarbeiterin einer Sicherheitsfirma, bemerkt zuerst gar nicht, wie sie gelenkt wird.

© ZDF und Daniela Incoronato

ZDF-Krimi "Ein gefährliches Angebot": Der Wolf und sein Geißlein

Der ZDF-Krimi kann auch Wirtschaft. "Ein gefährliches Angebot“ bringt eine Ex-Polizistin in eine moralische Schieflage.

Am Anfang schlägt die Märchenstunde. Männerhände lasten auf den Schultern einer zarten Frau im kleinen Schwarzen. Ina Roth heißt die Betatschte (Petra Schmidt-Schaller), und der bedrohliche Manager (Anian Zollner) nimmt mit der Ex-Polizistin Grimms Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein durch: „Der Wolf wechselt sein Aussehen. Was wollen Sie sein, Wolf oder Geißlein?“ Der Mann hat die Mär wohl nicht zu Ende gelesen, kennt den Wackersteinwolfstod im tiefen Brunnen nicht.

Die Eröffnungsszene des Thrillers „Ein gefährliches Angebot“ von Regisseur Hannu Salonen, der mit Sven Poser auch das Drehbuch geschrieben hat, ist eine genreübliche Vorwegnahme von Szenen, die erst am Schluss richtig verstehbar werden. Bis dahin ist es für Geißlein Ina eine weite Reise. Sie wird nicht einem, sondern mehreren Wölfen begegnen. Sie wird Wolfstechniken lernen, Kreide fressen, die schwarzen Pfoten der Gesetzesübertretung mit dem Mehl der Verdrängung weißen und entdecken, dass man sich nicht im Uhrkasten der Moral zu verstecken braucht, um zu überleben.

Das Verbrecherische gibt sich verführerisch

Wie es sich für einen intelligenten Thriller gehört, entfaltet sich das Verbrecherische mit verführerischer Anmut. Armin Rohde als Thomas Theissen, Chef der privaten Sicherheitsfirma „Cerberus“, legt klebrig kumpelhafte Väterlichkeit als Leimrute aus, um die junge Polizisten Ina in seinen Laden abzuwerben. Der Schauspieler ist ein Meister im Zeigen von Ambivalenz. Hinter seiner Leutseligkeit bleckt der Höllenhund die Zähne. Woher weiß er beim ersten Treffen, bevor Ina überhaupt den Prüfungsbescheid erhalten hat, dass die ehrgeizige Jungpolizisten durch die Prüfung gefallen ist? Hat er gar über alte Polizeikumpel an diesem Ergebnis gedreht?

Harmlos ist die Arbeit bei „Cerberus“ von Beginn an überhaupt nicht. Statt Ideenklau und Ausspähung durch auswärtige Konkurrenten bei der Firma „Ecotec“, einem Unternehmen für erneuerbare Energien, zu verhindern, dient die Theissen-Firma in einem internen Krieg, der in der Führungsetage tobt. Dieser ist härter als alle äußere Bedrohung durch Chinesen, die „Ecotec“ schlucken wollen. Führungswahnsinn pur, zerbrochene Jugendträume, männlicher Narzissmus, unproduktive Selbstzerstörung als Wesen des Kapitalismus – in einem solchen Irrenhaus sind die Höllenhunde von „Cerberus“ die heimlichen Oberköter.

Ina, die ethische Unschuld aus dem scheinbar umhegten Beamtenland der Polizei, lernt das Mitheulen. Die Skrupel, private Abrechnungen des Vorstands Michael Dithardt (Christian Berkel) gegen jede Regeln des Datenschutzes zu durchforsten, um dessen außereheliche Affäre mit einer Journalistin zu belegen, schwinden bei Ina wie Eis in der dunklen Sonne der Gesetzlosigkeit.

Das Leben ist ein Dschungelcamp

Einen gespenstischen Computerausguck gibt es hinter den gepanzerten Türen der Sicherheitsfirma Theissens. Regisseur Salonen und sein Kameramann Wolf Siegelmann zeigen die Spähstation wie eine schicke Selbstverständlichkeit in der IT-Welt. Der Beobachtete lebt wie im Dschungelcamp. Jeder Schritt, den er in seinen vier Wänden tut, wird ebenso beobachtet wie seine fremdgängerischen Handlungen. Doch die erste Rufattacke misslingt – die Ehefrau weiß längst Bescheid, Erpressung unmöglich.

Nun geht es zur zweiten Attacke. Inas Kollege Torsten Gütschow (André Hennicke) – ein karger Typ mit Stasi-Vergangenheit – weist seine Kollegin in die Mielke-Kunst des Verdächtigens ein. In Dithardts Abstellkammer entdecken die Überwachungskameras einen eingeschalteten Computer, auf dem eine Liste mit kinderpornografischem Material zu sehen ist. Ina, die immer noch nicht durchblickt, arbeitet an der Aktion mit und schreibt im Stil einer ausländischen Putzfrau einen belastenden Brief an die Polizei. Die letzte Wendung in diesem Spiel aus List und Tücke? Natürlich nicht. Hinter jeder Lüge steckt eine neue Lüge. Fintenfeuerwerk. Falsches Pathos. Sentimental blickt Theissen von einem Hügel herab auf die Stadt Berlin und lügt sich die Welt schön: Wenn er und seine Straßenköter nicht wären, stünden all die Mittelständler da unten ohne Schutz vor böser Konkurrenz da. Cerberus will nicht nur Höllenhundezwinger sein, sondern Arbeitsplatzbewahrer.

Wenn er nicht gestorben wäre, würde Theissen wohl heute noch sülzen, sündigen und ökonomisch siegen. Doch das System hängt nicht an einzelnen Personen. Ausgerechnet das Geißlein Ina hat gelernt, wie das System tickt.

„Ein gefährliches Angebot“, ZDF, Montag, 20 Uhr 15

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