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Medien: „Zeit zur Rückbesinnung“

Gute Medienseiten müssen ein Kessel Buntes sein, sagt Nico Hofmann

Für Filmproduzenten und Regisseure ist der tägliche Blick auf die Medienseite natürlich das allerwichtigste – oftmals noch wichtiger als der Blick auf die Geschehnisse in der Weltpolitik. Dabei haben sich die Medienseiten in den letzten Jahren ganz erheblich verändert. Ich erinnere mich noch an die Zeit vor zehn Jahren, als man als Regisseur am Abend nach der Ausstrahlung seines Films zum Münchener Hauptbahnhof rannte, um in den neu erschienenen vier Münchener Tageszeitungen, die es ab 19 Uhr druckfrisch zu kaufen gab, die Kritiken zum eigenen Werk zu lesen. Aber die Medienseiten haben sich seither immer mehr von der reinen Fernsehkritik verabschiedet; immer weniger Blätter publizieren Kritiken oder vorausschauende Medienberichterstattungen zu speziellen Fernsehsendungen. Die Medienseite ist zunehmend zu einem Kessel Buntes geworden – ein bisschen „Bunte“, wenn es um die Karriere eines Dieter Bohlen geht, ein bisschen „Spiegel“ und „Manager Magazin“, wenn die Hintergründe der Pleite bei Kirch aufgedeckt werden.

Gut gemachte Medienseiten spielen mittlerweile die doppelte Klaviatur: Sie beschäftigen sich mit herausragenden FernsehEvents und Einzelsendungen und versuchen, auf das Phänomenologische, auf die besonderen Zwischentöne, einzugehen. Gut gemachte Medienberichterstattung hat deshalb ihre volle Berechtigung, weil Deutschland als zweitwichtigster Fernsehmarkt der Welt mittlerweile im Fernsehbereich qualitativ dermaßen stark ist, dass sich die tägliche Beschäftigung mit diesem Medium mehr als lohnt. Medienberichterstattung wird aber auch dann spannend, wenn sie Themen aus dem Medienbereich feuilletonistisch anpackt. Der Kessel Buntes, den die Medienseiten mittlerweile aufkochen, hat also durchaus seine Vorzüge, wenn die einzelnen Themen zwischen wirtschaftsjournalistischer Genauigkeit und feuilletonistischer Brillanz aufbereitet werden. Und es gibt auch keinen einzigen Grund, warum die Beschäftigung mit einem herausragenden Fernsehspiel für die Leser weniger interessant sein sollte als die Besprechung eines Theaterstücks.

Die Medienseiten sind in den letzten Monaten in Misskredit geraten, weil sie sich oftmals nur noch mit der Konkurrenz inzestuös beschäftigt haben. Dies hat mit der wirtschaftlichen Anspannung innerhalb der Medienbranche zu tun und den heftigen Konkurrenzbewegungen der Verlage untereinander, unter der die Branche der schreibenden Zunft sehr gelitten hat. Genau in dieser Phase konnten die Kritiker der Medienseite in einigen Verlagshäusern Gehör finden, weil ihnen die Medienberichterstattung zu sehr um die Schau um den eigenen Bauchnabel ging. In dieser Phase sind viele Medienseiten geopfert worden. Jetzt sollte Zeit zur Rückbesinnung sein, und dies kann nur bedeuten, den Medienseiten in der Tageszeitung jenen Platz einzuräumen, der ihnen gebührt: nämlich eine volle ganze Seite. Hier ist auch der Tagesspiegel gefordert. Die Medien spiegeln die Welt und wir uns mit ihnen. Der Einfluss der Medien ist gesellschaftspolitisch kraftvoller als wir es uns eingestehen wollen – um so wichtiger ist die Beschäftigung mit ihnen.

Der Autor, Regisseur und Produzent Nico Hofmann ist Geschäftsführer der Produktionsfirma Team-Worx (u.a. „Toter Mann“, „Der Tunnel“).

Fotos: Heinrich, imago

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