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Zeitschrift: "Gaga geht nicht"

Die „Nido“-Chefs Timm Klotzek und Michael Ebert über ihr neues Heft, Elternwahn und Erwachsenwerden.

Herr Ebert, Herr Klotzek, Ihr Elternmagazin „Nido“ erscheint am Freitag zum zweiten Mal, eigentlich als weitere Testnummer. Der Verlag Gruner + Jahr hat aber bereits bekannt gegeben, dass „Nido“ ab April 2010 dauerhaft monatlich erscheinen wird. Ein Vertrauensvorschuss?



EBERT: Nein, „Nido“ ist ausführlich getestet worden. Die erste Ausgabe im April hat sich 67 000 Mal verkauft. Der Verlag hat dann abgewartet, wie sich der Anzeigenverkauf der zweiten Ausgabe entwickelt. Als klar war, dass diesmal sogar 30 Anzeigenseiten gebucht werden statt der 24 aus dem ersten Heft, waren das weitere gute Argumente für „Nido“.

Herr Ebert, Sie haben seit fünf Monaten eine Tochter. Seitdem dürfen auch Sie bei „Nido“ mitmachen.


EBERT: Zunächst hat sich Timm das Heft tatsächlich alleine ausgedacht.

KLOTZEK: Die Blattmacher-Schwierigkeit war, dass Michael einiges am Anfang nicht nachvollziehen konnte, rein emotional, bei der Themenwahl. Er war ein enger Berater, aber ein bisschen außen vor. Das klingt komisch, aber es gibt Sachen, die man nur versteht, wenn man Kinder hat. Im nächsten Heft schreibt zum Beispiel ein Autor über seine esoterischen Alltagsängste: Er will seiner Tochter ein Glas Leitungswasser geben, dann fallen ihm die Bleileitungen ein, die vermeintlichen Gefahren, die damit verbunden sind. Da denkt man vorher nie drüber nach. Jetzt machen wir uns beide über so etwas Gedanken und können dieses Heft auf Augenhöhe führen.

Ist „Nido“ ein Produkt des Ehepaars Klotzek? Ihre Frau hat bei der ersten Ausgabe mitgewirkt.


KLOTZEK: Meine Frau und ich arbeiten gut, aber eigentlich eher ungern zusammen. Es ist nicht zu empfehlen, Privates und Berufsleben übermäßig zu vermischen. Und im Augenblick stellt sich die Frage auch gar nicht, meine Frau stillt unseren jüngsten Sohn noch und hat entsprechend wenig Zeit, aufwendige Geschichten zu machen.

Die Ideen entstehen also auch zu Hause über der Windel?

KLOTZEK: Die Frage ist immer: Was sind die Themen, die hängen bleiben? Mit der „Neon“-Redaktion gehen wir ausführlich Mittagessen. Da merken wir, worüber die Leute länger diskutieren. So ist das bei „Nido“ auch: Themen, über die man sich privat länger unterhält, die wandern eher auf den Zettel. Die Titelgeschichte beim zweiten Heft handelt von Freundschaften zwischen Leuten mit und Leuten ohne Kinder – junge Eltern müssen aufpassen, andere vor lauter selbstbezogenem Familienglück nicht total zu nerven oder aus den Augen zu verlieren.

Werden Sie künftig mit den Redaktionen von „Neon“ und „Nido“ gemeinsam essen?

EBERT: Wir werden etwa zehn feste Mitarbeiter für „Nido“ einstellen. Und wir wollen die Redaktionen natürlich so eng und sinnvoll wie möglich miteinander verbinden. Das Ziel ist, „Nido“ so an „Neon“ anzubauen, dass wir möglichst viele Querverbindungen herstellen und Synergien nutzen können.

Ihr „Nido“-Slogan „Wir sind eine Familie“ erscheint im Vergleich zum „Neon“-Spruch „Eigentlich sollten wir erwachsen werden“ fast ein wenig bieder. Sie sind also erwachsen geworden …

KLOTZEK: In mancher Hinsicht bestimmt. Ursprünglich hatte der „Nido“-Spruch noch einen Zusatz: „Wir sind eine Familie – aber nicht gaga“. Wir wollten aber nicht „gaga“ aufs Cover schreiben, weil sich das nicht selbst erklärt und wahnsinnig aggressiv wirken kann.

Was ist Ihrer Meinung nach „gaga“?

KLOTZEK: Man sollte schon überlegen, worüber man sich so in den letzten Wochen unterhalten halt. Blöd wäre da: „Bundestagswahl? Habe ich gar nicht mitgekriegt. Die kleine Leonie schläft so unruhig in letzter Zeit …“ Oder Restaurantgespräche wie: „Seit der kleine Mauritius Karotten isst, hat die Windel einen wirklich interessanten Farbton …“ Das käme mir „gaga“ vor.

EBERT: Wenn Leute das tun, ist das natürlich auch okay. Sie sind dann wahrscheinlich aber keine „Nido“-Leser. Aus meiner Sicht ist so etwas vielleicht „gaga“ – aus deren Sicht bin ich aber vielleicht auch „gaga“, weil ich am Wochenende joggen gehen will, statt mit meinem Kind Chinesisch zu lernen.

Hängt der Erfolg von „Neon“ und „Nido“ auch damit zusammen, dass die Zielgruppe besonders werberelevant ist?

KLOTZEK: „Nido“ ist gut vermarktbar, das stimmt. Man muss den Anzeigenkunden nicht erst erklären, dass diese Leser gerade in einer Anschaffungsphase sind. Das wissen die von alleine.

Welches Magazin, das in letzter Zeit verschwunden ist, fehlt Ihnen am wenigsten?

KLOTZEK: Es ist immer traurig, wenn Hefte dichtmachen, Kollegen entlassen werden, das ging uns beim „jetzt“-Magazin ja selbst mal so. Aber es ist wie im Urwald: Wenn kein Baum umfällt, wächst kein neuer nach. Ich fände es allein aus Platzgründen schrecklich, wenn keine Magazine eingestellt würden. Irgendwann wäre der Markt so voll, dass es hieße: Bis 2079 können wir leider kein Magazin mehr gründen, passt nicht mehr ins Kioskregal.

EBERT: Gerade wird wieder viel auf die Verlage geschimpft: „Oh nein, Sie haben mein Lieblingsblatt zugemacht!“ Man muss aber auch mal fragen: Warum hat sich das Heft nicht gelohnt?

KLOTZEK: Wenn du die Verantwortung hast für ein Heft, musst du verstehen, wie Verlagsleute denken. Als Chefredakteure sind wir dafür verantwortlich, diesen Laden zusammenzuhalten. Wir sind natürlich daran interessiert, dass unsere Hefte auch mit Anzeigen ihr Geld verdienen. Aber in erster Linie sind wir beide dafür zuständig, die Redaktion zu organisieren und ein aufregendes Heft zu machen. Eines, das sich verkauft. Das mehr einfährt als Branchenlob. Es reicht doch nicht, wenn nur beim „Lead Award“ 50 Leute dastehen und dich beklatschen.

Sie haben zusammen das „jetzt“-Magazin gemacht, dann „Neon“, nun „Nido“ – warum passen Sie so gut zusammen?

EBERT: Wir sind ziemlich unterschiedlich und ergänzen uns daher gut.

Was nervt so richtig an Timm Klotzek?

EBERT: Er ist wahnsinnig schlau, das macht es so anstrengend, mit ihm zu streiten.

Herr Klotzek, was nervt an Michael Ebert?

KLOTZEK: Gar nichts natürlich. (Pause) Es hilft, dass wir in einem Zimmer sitzen. Das führt dazu, dass es wenig Missverständnisse und versäumte Absprachen gibt. Und wir machen wichtige Sachen auch nur, wenn beide dafür sind. 2:0 oder gar nicht. Es gibt bei uns keinen monatsweisen Wechsel der Verantwortung.

Können Sie Chefredakteur nur gemeinsam?

KLOTZEK: Das glaube ich nicht. Und ich mag es mir auch gerade nicht vorstellen.

EBERT: Und es macht zu zweit mehr Spaß. Es gibt großes gegenseitiges Vertrauen. Auch wenn das jetzt klingt wie Romeo und Julia …

KLOTZEK: … oder nach Ernie und Bert …

Wann ändert sich Ihr Lebensgefühl wieder, wann ist das nächste Magazin fällig?

EBERT: Ich träume von einem Fernreisemagazin, dass wir so kurz vor der Rente entwickeln könnten. Das muss dann „Silver Surfer“ heißen.

KLOTZEK: Mal ganz ehrlich: Gerade haben wir weder Zeit noch Lust, uns schon wieder neue Magazinkonzepte auszudenken, „Nido“ ist doch noch nicht mal richtig auf dem Markt.

Das Interview führten Sonja Pohlmann, Dominik Bardow und Johannes Gernert.

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