zum Hauptinhalt

Zu PAPIER gebracht: Datenschutz und Menschenschutz

Es ist schon ein Kreuz mit dieser Vertraulichkeit. Da will man in Ruhe das Internet benutzen, fühlt sich auch ganz gut dabei – und plötzlich kommt heraus, dass man damit nicht nur das Datenfutter für neugierige Firmen, sondern auch staatliche Schnüffeldienste ist.

Es ist schon ein Kreuz mit dieser Vertraulichkeit. Da will man in Ruhe das Internet benutzen, fühlt sich auch ganz gut dabei – und plötzlich kommt heraus, dass man damit nicht nur das Datenfutter für neugierige Firmen, sondern auch staatliche Schnüffeldienste ist. Soweit scheint das angekommen zu sein.

Die Überwachungsskandale beschäftigen die Menschen, in der Tram, auf der Arbeit, im Restaurant. Dort trug sich – und ich anonymisiere hier natürlich die handelnden Personen – die folgende Szene zu: am Nachbartisch ein junges Vielleichtpärchen. Es diskutierte über den Datenschutz bei Doktorarbeiten der Psychologie, aber auch über die Überwachungszentrale. Und kam zu dem Schluss, dass Datenschutz zwar manchmal nervt, aber wohl notwendig ist. Gratulation, mag man rufen: Sie haben Level Eins erreicht und etwas verstanden!

Doch dann diskutierten sie intensiv und alles andere als leise darüber, wer mit wem gern zusammen wäre und warum und wie. Eine Menge Details flogen über den Tisch, über ihn, über sie, über den Dritten im Spiel. Und irgendwie kam mir das dann doch etwas komisch vor. Das, was sie dort so lautstark erzählten, würden sie nicht einmal bei Facebook schreiben. Und das will bei vielen Menschen heute ja durchaus etwas heißen.

Wenn Menschen technisch nicht verstehen, dass E-Mails wie Postkarten sind, fällt es mir leicht, das zu akzeptieren. Dass Privatnachrichten bei Facebook auch nicht gerade privat sind, das dachten viele lange Zeit auch nicht. Und nicht jeder kann IT-Experte sein, und eigentlich darf das auch nicht notwendig sein. Doch mir fällt es schwer, zu verstehen, wie Menschen lautstark im Zug ihre Beziehungsgeschichte, die wirtschaftlichen Probleme ihres trinkenden Ex-Mannes, das Sorgerecht und ihren Gemütszustand diskutieren. Ich verstehe nicht, wie Menschen Bewerbungsgespräche am Telefon in aller Öffentlichkeit führen können.

Datenschutz ist ein überaus dummes Wort, weil am Ende ja nicht die Daten, sondern die Menschen geschützt werden sollen – die Menschen, die miteinander im Glauben an Vertraulichkeit kommunizieren. Menschen, deren Interessen, deren Gedanken, deren Verhalten mit Daten beschrieben wird. Vielleicht wäre es für den einen oder anderen Mitmenschen aber ganz gut, sich demnächst nicht nur mit Verschlüsselung von E-Mails und Internetverkehr zu beschäftigen, sondern auch darüber nachzudenken, ob sie nicht eine so exotische Fremdsprache lernen wollen, dass sie von ihren Mitmenschen im Restaurant, Zug oder im Park auch nicht mehr verstanden werden können. Oder darüber, einfach manche Sachen doch lieber in vier geschlossenen Wänden zu diskutieren. Ich würde gerne sagen können: Herzlichen Glückwunsch, Sie haben Level Zwei erreicht.

Falk Steiner ist Journalist und setzt sich für Bürgerrechte im Internet ein.

Falk Steiner

Zur Startseite