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Handy ins Schließfach. Das garantiert Unerreichbarkeit

© dpa

Zu PAPIER gebracht: Digitale Entgiftung

Joachim Huber erwägt eine Digitalkur zur Fastenzeit, sprich den Verzicht auf Smartphone und App. Aber die Motivation...

Am Aschermittwoch ist alles vorbei, die Schwüre von Treue, sie brechen entzwei. Keine Sorge, werte Leser, Sie müssen jetzt keine tränengesättigte Story vom Ende einer leidenschaftlichen Affäre über sich ergehen lassen. Auch eine Tagesspiegel-Version von „50 Shades of Grey“ ist nicht zu befürchten.

Trotzdem geht es um etwas Weltbewegendes. Am kommenen Mittwoch beginnt die Fastenzeit. Das Jugendportal www.handysektor.de nutzt das Datum, um zum „Handyfasten“ aufzurufen. Dabei wird ein Trend aufgenommen, der sich in Kaliforniens Silicon Valley ausbreiten soll: Digital Detox, also digitale Entgiftung. Alle Abhängigen verzichten bewusst auf Smartphones und Tablets, sie machen eine Digitalkur. Entschlackt von allen Bits und Bytes ziehen wir in das neue Jahr.

Joachim Huber
Joachim Huber

© Kitty Kleist.Heinrich

Ja, Smartphone und Tablet und Apps üben Macht aus. Mehr als sie sollen. Die Abhängigkeit drückt sich eben darin aus, dass sie mehr Macht über mich haben als ich über sie. Für einen liberalen Menschen eigentlich eine unerträgliche Vorstellung, weil er damit seine Freiheit aufgibt und Unterwerfung lebt.

Smartphone ausschalten und wegschließen

Wie aber gewinne ich meine Hoheit über mich selbst zurück? Handysektor schlägt zum Beispiel vor, das Smartphone komplett auszuschalten und wegzuschließen. Dann Tagebuch zu führen und zu notieren, an welchen Stellen das Mobiltelefon fehlt und für welche anderen Dinge plötzlich Zeit ist. Das wird eine sehr lange Liste, die zu füllen sehr viel Zeit braucht.

Scherz beiseite. Warum nur wandert das Smartphone wie von selbst in die Hand, warum gleiten die Fingerchen wie von selbst über die virtuelle Tastatur, warum nur ... Selbstverständlich ist und bleibt es ein deprimierender Moment, wenn in einer Feiergesellschaft das Feiern ausbleibt, weil jeder und jede ständig auf sein/ihr Handy starrt. Unheimlich dabei: Wen stört das wirklich? Kino, Kirche, Theater – das bläuliche Aufleuchten ist längst nicht mehr peinlich. Weil Neues, Aufregendes, eben doch eine Belohnung erwartet wird, wenn das Smartphone aktiviert wird.

Die Suchtexperten von www.handysektor.de kennen und wissen das alles. Unsere Sehnsüchte, unsere Süchte, unsere Ausflüchte. Dass wir ständig versuchen, jede App-Auszeit zu umgehen, zu verkürzen, zu verschieben. Ein Ratschlag wird jedoch gegeben, der am meisten Effekt zeigen könnte: sich eine Belohnung für das Handyfasten in Aussicht stellen. Belohnen statt Bestrafen, die Rübe vor der Nase in Reichweite halten. Erst fasten, dann feiern.

Ich muss bekennen, meine allererste Reaktion war schauderhaft. Sofern ich meinen Konsum über vier Wochen wenigstens auf beruflich und privat dringend notwendige Dinge beschränke, dann, ja dann werde ich mir dieses supergeile Tablet besorgen, über das ich mich schon so lange – und natürlich online – informiert habe. Damit Fasten 2016 Sinn und Zweck bekommt.

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