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Zurück vom Einsatz: „Blauäugigkeit hilft“

N24-Chefreporter Steffen Schwarzkopf über seine Recherchen in Syrien, Manipulationen und Angst.

Herr Schwarzkopf, Sie waren im Auftrag von N24 in Syrien. Haben Sie sich wie der Schriftsteller Jonathan Littell illegal ins Land schleusen lassen?

Das ist eine Möglichkeit, aber die wäre am Ende wenig sinnvoll gewesen. Denn im Gegensatz zu den schreibenden Kollegen fallen wir als TV-Team mit der Kamera und dem technischen Equipment sofort auf.

Wie sind Sie dann an eine offizielle Drehgenehmigung gekommen?

Im Rahmen des Friedensplans von Kofi Annan wurden 70 Visa für Journalisten ausgestellt. Wir hatten uns beworben und haben im April die Zusage bekommen – allerdings durften wir keine Technik für Live-Übertragungen mitbringen und mussten uns nach unserer Ankunft sofort beim Informationsministerium melden.

Das Ihnen einen Aufpasser an die Seite gestellt hat?

Ja, aber ohne offiziellen Begleiter wären wir auch gar nicht nach Homs gekommen, denn wer aus Damaskus raus will, muss einen Checkpoint passieren und braucht jemanden, der bei der Regierung oder dem Militär bekannt ist. Aber wir haben trotzdem Wege gefunden, unsere „Schatten“ loszuwerden und Mitglieder der FSA, der Freien Syrischen Armee, zu treffen.

Wie ist Ihnen das gelungen?

Ich bin zusammen mit einem arabischen Kollegen nach Syrien gereist. Er hat bei einer Freitagsdemonstration Menschen angesprochen, die uns den Kontakt hergestellt haben. In einer heimlichen und etwas abenteuerlichen nächtlichen Aktion haben wir die FSA-Kämpfer dann getroffen. Aus journalistischer Sicht war es zwingend notwendig, nicht nur die Seite des Assad-Regimes zu sehen.

Wurde von beiden Seiten versucht, Ihre Berichterstattung zu manipulieren?

In Homs wurden uns von den Regierungsvertretern Galgen präsentiert, die angeblich von den Rebellen zur Ermordung von Assad-Anhängern genutzt wurden. Aber es war ganz klar, dass die Galgen erst kurz vor unserer Ankunft aufgestellt worden waren und gar nicht funktionieren könnten. Trotzdem war das Regime offensichtlich überzeugt, dass wir die Bilder so transportieren, wie wir sie filmen. Dass wir die gezeigten Situationen anzweifeln oder das Material auch gegen das Regime verwenden könnten, so weit haben sie nicht gedacht.

Was war Ihr Eindruck: Wie stark sind die Rebellen, wie geschwächt ist das Regime?

Eine Woche ist zu kurz, um sich wirklich ein Bild machen zu können. Aber anders als bei den Rebellen in Libyen ist die FSA keine gut ausgerüstete und organisierte Gruppe. Mein Eindruck in der letzten Woche war nicht, dass Damaskus umzingelt ist und bald fällt.

33 Journalisten sind seit März 2011 in Syrien nach Angaben von „Reporter ohne Grenzen“ getötet worden. Gab es Situationen, in denen Sie selbst Angst hatten?

In Libyen habe ich die Kämpfe zwischen den Rebellen und Gaddafis Soldaten hautnah miterlebt. In Damaskus und Homs habe ich zwar eine latente Gefahr gespürt, aber die Detonationen der Granaten nur aus der Ferne gehört.

Sie berichten immer wieder aus Krisengebieten, waren im Irak und in Afghanistan. Sind Sie süchtig nach dem Thrill?

Süchtig würde ich das nicht nennen, aber natürlich gibt es da diesen gewissen Kick. Ich will selbst vor Ort sein, erleben, was dort passiert, und davon berichten. Gefühle wie Angst blende ich aus und denke, dass mir nichts passieren wird. Das ist vielleicht eine gewisse Blauäugigkeit, aber die muss man als Krisenreporter wohl auch haben. Denn sobald einen die Angst packt, kann man nicht mehr vernünftig arbeiten.

Das Gespräch führte Sonja Pohlmann.

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