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Medien: Zurückhaltung entscheidend

Fröhder: Jede Zeile zu viel schadet den Geiseln im Irak

Herr Fröhder, wen beeindruckt eine Mahnwache in Berlin für die entführte deutsche Archäologin Susanne Osthoff?

Eine Mahnwache allein reicht nicht. Selbst kriminelle Entführer informieren sich heute im Internet. Wenn dort über das Schicksal einer Geisel berichtet wird, hat dies in der Vergangenheit Einfluss auf das Verhalten der Entführer gehabt. So haben es freigekommene Geiseln berichtet. Einige waren sogar davon überzeugt, dass die in ihrem Heimatland gezeigte Solidarität die Verhandlungen über ihre Freilassungen beschleunigt hat.

Sie haben selbst mit Entführern verhandelt …

Ja, das stimmt. Am nächsten Tag – beim Kassieren des restlichen Lösegeldes – haben sie mir Internetauszüge über die deutsche Irakpolitik gezeigt. Sie hatten sich natürlich nur englischsprachige Zeitungen herausgesucht, in denen die Position der damaligen Opposition deutlich beschrieben wurde. Wir haben dann ein längeres Gespräch über die Funktion einer Opposition in einer Demokratie geführt.

Die deutschen Medien berichten zurückhaltend über den Fall. Nicht zuletzt, weil es heißt, zu viel Öffentlichkeit könnte den Bemühungen der Bundesregierung um eine Freilassung schaden. Ist diese Zurückhaltung richtig?

Jeder Versuch, über beginnende Gespräche zu berichten, kann für die Geisel tödlich sein. Wäre die große journalistische Tugend der Zurückhaltung – nichts zu schreiben, solange man nichts Genaues weiß – in den letzten Tagen beachtet worden, dann müssten jetzt nicht viele Kollegen bei der Schuldzuweisung im Fall al Masri verzweifelt versuchen, die Kurve zu kriegen. Für die Verhandlungen über das Leben einer Geisel gilt: Jede Zeile, die nicht geschrieben wird, beweist, dass die deutsche Presse sich an ethische Regeln hält.

Also mehr Appelle, mehr Mahnwachen?

Die Reaktion der deutschen Öffentlichkeit bleibt weit hinter dem zurück, was in Frankreich, Italien und den USA nach Entführungen geschah. Ich habe hohen Respekt vor den türkischen Initiatoren der Lichterkette am Mittwoch. Aber wo bleiben die Deutschen?

Das Gespräch führte Joachim Huber.

Christoph Maria

Fröhder , Jahrgang 1942, hat als Reporter für die ARD während der beiden Golfkriege aus Bagdad berichtet. Fröhder ist im Vorstand des Netzwerks Recherche.

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