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Brandenburg: „Mein Amt hatte nur eine Alibifunktion“

Frust und Ärger: Uta Leichsenring über ihren Rücktritt vom Amt der Landesbeauftragten für das Handlungskonzept Tolerantes Brandenburg

Der Schritt kam nicht unerwartet: Uta Leichsenring hat nach langer Krankheit das Amt der „Landesbeauftragten für das Handlungskonzept Tolerantes Brandenburg“ aufgegeben. Die Stelle im Bildungsministerium hatte Leichsenring im Juli angetreten. Im Handlungskonzept sind Projekte gebündelt, mit denen das Ministerium vor allem an Schulen den Rechtsextremismus bekämpfen und für Toleranz werben will.

Frau Leichsenring, warum geben Sie auf?

Ich habe schon vor längerer Zeit Bildungsminister Reiche signalisiert, dass ich Probleme sehe. Mein Amt als Landesbeauftragte für das Handlungskonzept Tolerantes Brandenburg war mehr eine Verwaltungsstelle, von der überwiegend die Aktivitäten des Ministeriums gegen den Rechtsextremismus koordiniert werden sollten.

Was ist daran auszusetzen?

Es handelt sich nach meiner Auffassung um eine politische Funktion, die mehr erfordert: Die vielfältigen zivilgesellschaftlichen Initiativen und Strukturen wollte ich unterstützen unvernetzen und unterstützen. Dabei geht es um die engere Zusammenarbeit zwischen dem in vielen Kommunen tätigen Mobilen Beratungsteam Brandenburg, den mehr als 100 kommunalen Koordinatoren, der Regionalen Arbeitsstelle für Ausländer, Jugend und Schulen, der Ausländerbeauftragten und dem Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Für all das ist viel Unabhängigkeit nötig, viel Freiraum und Flexibilität. Ich bin ziemlich enttäuscht, dass dies nur eingeschränkt möglich war.

Waren Ihnen die Probleme nicht bewusst, als Sie im Juli im Bildungsministerium antraten?

Sie waren mir nur zum Teil bewusst. Ich hatte auch ein ungutes Gefühl. Beispielsweise blieb Staatssekretär Frank Szymanski Koordinator für das Handlungskonzept Tolerantes Brandenburg. Da hatte ich den Eindruck, die Stelle der Landesbeauftragten für das Handlungskonzept Tolerantes Brandenburg besaß nur eine Alibifunktion.

Für wen oder was?

Die Landesregierung wollte nach meiner Ablösung vom Amt der Polizeipräsidentin Eberswalde demonstrieren, dass ich weiter in einer verantwortungsvollen Funktion tätig sein konnte. Ein Grund war vermutlich, dass ich durch mein Engagement gegen Rechtsextremismus bundesweit bekannt geworden war und es nicht so aussehen sollte, als ließe mich die Regierung fallen.

Das ist aber offenbar passiert. Die „Bild“Zeitung hat Sie am Donnerstag mit anonymen Indiskretionen, die möglicherweise aus dem Bildungsministerium kamen, attackiert.

Dieser Rufmord-Artikel hat meine Entscheidung befördert, mich vom Amt der Landesbeauftragten zu verabschieden. Das Vertrauensverhältnis zu Minister Reiche ist gestört. So hätte ich meine Arbeit nicht fortführen können und wollen.

Gab es keine Möglichkeit, mit Bildungsminister Reiche ins Gespräch zu kommen?

Ich habe ihm vor zwei Monaten einen ausführlichen Brief geschrieben, in dem ich alle Probleme aufgelistet habe und die Notwendigkeit einer Klärung im persönlichen Gespräch deutlich gemacht habe. Darauf gab es keine Reaktion.

Hatten Sie Rückendeckung von Ministerpräsident Platzeck?

In gewisser Weise ja. Aber ich hätte mir gewünscht, dass ein konstruktives Gespräch unter seiner Leitung mit Minister Reiche, dem Staatssekretär und mir zustande gekommen wäre.

Sie waren zwei Wochen im Amt, als Sie krankgeschrieben wurden. Bis zum 18. Dezember sind sie laut ärztlichem Attest nicht arbeitsfähig. Was ist in den zwei Wochen im Juli passiert, dass Ihre Gesundheit so gelitten hat?

Ich leide unter Bluthochdruck. Eine Zeit lang bestand die Gefahr eines Schlaganfalls. Anzeichen für meine Krankheit gab es schon früher. Bluthochdruck ist eine Krankheit mit physischen und psychischen Ursachen. Vor allem die Kampagne, die aus dem Umfeld von Innenminister Jörg Schönbohm und mit Hilfe der „Bild“-Zeitung gegen mich geführt worden ist, als ich noch Polizeipräsidentin war, hat mir sehr zu schaffen gemacht. Insbesondere die Vorwürfe, ich hätte mich der Untreue schuldig gemacht, weil höhere Polizeiführer in meinem Präsidium Überstunden falsch abgerechnet haben. Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren gegen mich jetzt eingestellt. Doch die nervliche Belastung war kaum zu verkraften. Trotzdem wollte ich mein Engagement gegen Rechtsextremismus und Rassismus unbedingt fortsetzen. Deshalb habe ich die Stelle als Landesbeauftragte angenommen. Vielleicht wäre es besser gewesen, sich zu schonen. Aber ich hatte ja schon im April begonnen, mich einzuarbeiten. Unter harten Bedingungen. Am Anfang musste ich sogar um eine Sekretärin kämpfen.

Brandenburg wird offenbar ohne Ende von rechter Gewalt heimgesucht. Der jüngst aufgedeckte Mord an dem 17-jährigen Marinus in Potzlow ist nur ein Beispiel. Ist das Engagement gegen Rechtsextremismus gescheitert?

Nein, das glaube ich nicht. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass in der Bevölkerung das Problembewusstsein zugenommen hat. Es gibt viele Initiativen, die sehr engagiert arbeiten. Natürlich gibt es Rückschläge. Ich glaube auch nicht, dass Brandenburg das Problem ein für allemal in den Griff bekommt. Aber der zivilgesellschaftliche Gegenwind hat zugenommen. Es gibt auch mehr Aufmerksamkeit in Politik und Behörden.

Wie werden Sie sich nun weiter engagieren?

Ich bleibe in mehreren Vereinen und Gremien aktiv. Zum Beispiel im brandenburgischen Verein für Weltoffenheit, in der Regionalgruppe Berlin-Brandenburg des bundesweit agierenden Vereins gegen Vergessen, für Demokratie. Im ebenfalls bundesweiten Bündnis für Demokratie und Toleranz sitze ich im Beirat. Wenn ich wieder gesund bin, werde ich mein Engagement auf jeden Fall fortsetzen.

Sie waren in Brandenburg sogar als Kandidatin für den Posten des Innenministers im Gespräch. Ist mit Ihrem Rücktritt vom Amt der Landesbeauftragten die politische Laufbahn beendet?

Ich bin ein politischer Mensch und ich werde immer gesellschaftspolitisch aktiv sein. Wenn sich eine Möglichkeit ergibt, das beruflich zu machen, dann gerne und sofort. Aber die Bedingungen müssen stimmen. Dazu gehört ein Mindestmaß an Unabhängigkeit. Das war im Bildungsministerium leider nicht möglich.

Das Gespräch führte Frank Jansen.

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