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Meinung: … Amerika

Christoph von Marschall erklärt, was es mit Englisch als offizieller, nationaler und gemeinsamer Sprache auf sich hat

Es ging hoch her zu abendlicher Stunde. Und am Tag danach rieben sich viele Amerikaner verwundert die Augen: Was hatte der Senat da beschlossen? Man kann nicht mal sicher sein, dass die Senatoren das selbst so genau sagen können. Binnen weniger Minuten hatten sie zwei widersprüchliche Beschlüsse zur Rolle des Englischen in den USA gefasst. Mit 63 zu 34 Stimmen machten sie Englisch zur nationalen Sprache, mit 58 zu 39 zur „gemeinsamen und einigenden“ Sprache. Das Hin und Her zeigt, wie sehr die dynamische Zuwanderung von Hispanics die Gesellschaft aufwühlt. Zur Verwirrung trägt bei: Jedes der beiden Lager wirft den Gegnern skandalöses Verhalten vor, behauptet aber, die eigene Gesetzesversion ändere nichts an der bestehenden Lage. Wenn das stimmt, wozu dann der Beschluss?

Beides sind Ergänzungen zum umstrittenen Zuwanderungsgesetz, auf dessen endgültige Fassung sich der Senat noch mit dem restriktiveren Abgeordnetenhaus einigen muss. Elf bis zwölf Millionen Illegale, vor allem Hispanics aus Mexiko, Mittel- und Südamerika, sind bereits im Land, jedes Jahr kommen 600 000 bis 800 000 dazu. Die Republikaner im Haus wollen sie durch schärfere Grenzkontrollen und Strafen abschrecken, der Senat und Präsident Bush setzen auf die Einbürgerung für alle, die mindestens zwei Jahre da sind. In 20 Jahren werden die Latinos ein Viertel der Bevölkerung stellen und im Süden der USA die Mehrheit.

Konservative fürchten um den angelsächsischen Charakter des Landes. „Niemand darf verlangen, dass die Regierung und andere Vertreter des Staates in einer anderen Sprache kommunizieren“, steht in ihrem Entwurf über die „nationale“ Sprache. Vor der Ausrufung des Englischen als „offizieller“ Sprache sind sie zurückgezuckt. Fachleute warnten, das könne Folgen haben für bestehende bilinguale Programme. Was heute legal ist, soll erlaubt bleiben. Einige Demokraten nennen den Entwurf „rassistisch“. Es gehöre zur Freiheit und zum Charakter der Einwanderernation, dass jeder sprechen könne, wie es ihm beliebt. Zugleich sei aber klar, dass jeder Englisch lernen müsse. Nur festschreiben wollen sie das nicht. Englisch sei die „gemeinsame“ Sprache, die alle integriere. Weit weniger Aufregung löst in den USA die Forderung aus, Neubürger müssten Grundkenntnisse in amerikanischer Geschichte, Verfassung und Englisch nachweisen. Darauf wird man sich leichter einigen können als über die Frage, ob Englisch so sehr zur Identität der USA gehört, dass es Gesetzesrang haben muss.

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