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Meinung: … Großbritannien

Khadija Ravat wird an Weihnachten voll verschleiert die „alternative Weihnachtsansprache“ im britischen Sender Channel 4 vortragen, will selbst aber die richtige Weihnachtsansprache der Königin anschauen, die dann auf den anderen Kanälen läuft. So, wie es Briten eben tun, wenn am Weihnachtstag der Truthahn abgeräumt und der Plum Pudding aufgetischt ist.

Khadija Ravat wird an Weihnachten voll verschleiert die „alternative Weihnachtsansprache“ im britischen Sender Channel 4 vortragen, will selbst aber die richtige Weihnachtsansprache der Königin anschauen, die dann auf den anderen Kanälen läuft. So, wie es Briten eben tun, wenn am Weihnachtstag der Truthahn abgeräumt und der Plum Pudding aufgetischt ist. „Ich bin Britin, sogar sehr gerne“, schwärmte Khadija im „Daily Mirror“ und rühmt die Vielfalt des toleranten Großbritanniens: „Viel besser als Saudi-Arabien, wo ich nie leben wollte.“ Channel 4 bringt sich gerne mit Tabubrüchen ins Gespräch und schickt Khadija umso lieber an die Provokationsfront, als sich die BBC-Konkurrenz soeben in der Frage der verschleierten Nachrichtensprecherin verrannt hatte. Könnte es das geben? „Auf keinen Fall“, entschied BBC-Generalintendant Mark Thompson, Nachrichtensprecher müssten neutral sein. „Warum nicht?“, widersprach Mary Fitzpatrick, die über die ethnische Vielfalt der BBC wacht. Das war, als eine BBC-Nachrichtensprecherin ihr Halskreuzchen abnehmen musste und British Airways gegen eine Christin vom Bodenpersonal prozessierte, weil nach den Regeln der Fluglinie zwar Turban und Kopftuch, aber kein Halskreuz erlaubt sind. Erst nach Zuschauerprotesten konnte sich das BBC-Frühstücksfernsehen dazu durchringen, im Studio etwas Weihnachtsschmuck anzubringen. Während viele Briten sich also bemühen, mit Weihnachten ja keinen Muslim zu verschrecken, darf Khadija beweisen, dass der Gesichtsschleier in der toleranten britischen Gesellschaft zum Alltag gehört wie Kopftuch, Turban und Rastalocken.

Sie haben etwas Rührendes, diese gut artikulierten Schwestern, die sagen, nichts sei normaler, als voll verschleiert durch die Welt zu gehen. Als Lehrerin habe sie herausgefunden, dass Schüler sich besser auf den Tafelanschrieb konzentrieren, wenn sie verschleiert ist, behauptet Khadija. Emanzipierte Muslimfrauen dagegen sehen im Schleier kein Accessoire islamischer Selbstverwirklichung, sondern das Stigma einer mittelalterlichen Patriarchengesellschaft: Oft, so Yasmin Alibhai-Brown, verberge der Schleier Narben häuslicher Gewalt. Andere finden, man hätte den TV-Platz ja auch Musliminnen geben können, die gegen Zwangsehen, Ehrenmorde oder den Ausschluss von Frauen in Moscheen kämpfen. Tony Blair definierte den Kern der multikulturellen Gesellschaft gerade als „das Recht, anders zu sein, die Pflicht, sich zu integrieren“. Khadija wird nun auf ihr Verschleierungsrecht pochen – und sich den Blicken ihrer Mitbürger entziehen.

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