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Meinung: … Russland

Jens Mühling über einen Bundestagsabgeordneten, der aus Versehen einen kalten Krieg auslöst

Aus Mücken können bekanntlich Elefanten werden, aus flügelschlagenden Schmetterlingen Tornados. Dass Ursache und Wirkung mitunter sehr unproportional zusammenhängen, weiß zurzeit niemand besser als der CDU-Abgeordnete Jürgen Klimke, der sich mit einer „kleinen Anfrage“ an die Bundesregierung gewandt hatte – und wenig später mit der geballten militärischen Kraft der Baltischen Flotte aus Russland verjagt werden sollte.

Was war geschehen? Klimke, der im Bundestag eine Arbeitsgruppe zu den Auswirkungen der EU-Erweiterung auf die russische Exklave Kaliningrad leitet, hatte eine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Darunter waren folgende Fragen: „Wie bewertet die Bundesregierung Überlegungen, eine litauisch-russisch-polnische Euroregion zu schaffen, die geografisch in etwa mit dem historischen Gebiet Ostpreußens übereinstimmt?“ Und: „Wie bewertet die Bundesregierung Überlegungen, diese Euroregion ‚Prussia’ zu nennen?“ Kaliningrad kochte. Nikolaj Tulajew, der Repräsentant der Region im Russischen Föderationsrat, bezeichnte Klimkes Initiative als „beunruhigendes Signal“. Das russische Außenministerium forderte „eine deutliche Antwort der Bundesregierung“ auf „dieses anrüchige Dokument“.

Jürgen Klimke fühlt sich massiv missverstanden: Die Schaffung einer Euroregion ‚Prussia’ sei das Letzte, was er sich wünsche. Derartiges sei bei Gesprächen von Vertretern deutscher Landsmannschaften vorgebracht worden. Er selbst habe die entsprechenden Fragen in den Katalog gesetzt, weil er sich von der Bundesregierung eine klare Absage erhoffte. Die blieb allerdings aus: „Der Bundesregierung sind Überlegungen dieser Art nicht bekannt“, heißt es in der Antwort.

Die deutsch-russische Politposse nahm damit allerdings noch kein Ende. Bei einem Kaliningradbesuch im vergangenen September hatte Klimke die Frage aufgebracht, inwiefern die militärische Nutzung der Exklave ein Hemmnis für deren wirtschaftliche Entwicklung darstelle. Anlässlich der „kleinen Anfrage“ erinnerte sich Stadtrat Jewgenij Gan dann prompt an den „Provokateur“ Klimke, der ihm schon damals den Abzug der Baltischen Flotte nahe gelegt habe, und drang kurzerhand darauf, Klimke nicht mehr nach Russland einreisen zu lassen. Noch vehementer reagierte Flottenadmiral Wladimir Walujew gegenüber der Nesawissimaja Gaseta: „Die Baltische Flotte war, ist und wird als Vorposten auf Kaliningrader Boden stationiert sein. Und der Revanchismus einiger Bundestagsabgeordneter ist nur ein weiteres Argument dafür, dass hier Einheiten in ständiger Gefechtsbereitschaft stationiert sein sollten.“

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