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Einheitsgeschichte: 1989 auf der Mauer beim Brandenburger Tor.

© dpa

23 Jahre Deutsche Wiedervereinigung: Mal wieder ein Anlass, Ost und West aufzurechnen

Wie kein anderer Tag im Jahr bietet der Jahrestag der deutschen Einheit immer wieder Anlass, Ost und West aufzurechnen. Die Bilanz bleibt zwar durchwachsen. Aber wenn sich dieses vereinte Deutschland heute mühen muss, auch die westdeutschen Problemregionen nicht zu kurz kommen zu lassen, ist es doch irgendwie angekommen.

Von Matthias Schlegel

Ein „Fest der Superlative“ kündigen sie an, die Stuttgarter. Am Mittwoch und Donnerstag feiern sie die deutsche Einheit, dass es kracht. Das machen sie nicht, weil sie viel Geld zum Feiern übrig haben, die reichen Baden-Württemberger, sondern weil sie dran sind: Immer das Land, das den Bundesratsvorsitz innehat, richtet das zentrale Fest aus. Sie haben das Motto „Zusammen einzigartig“ gewählt – ein wohlbedachtes Wort, das deutsch-deutschen Schulterschluss suggeriert, gleichzeitig Unterschiede nicht ausblendet und sogar ein bisschen großmannssüchtig klingt.

Der Sozialverband „Volkssolidarität“, zuständig für das schlechte Gewissen der Nation, hat am Vorabend der Einigungsfeier seinen Beitrag zu selbiger vorgelegt. Von den älteren Ostdeutschen, so heißt es in dem „Sozialreport 50+“, bewerten nur wenige ihre Entwicklung seit 1990 als „Aufstieg“. Ein Viertel von ihnen erlebte dagegen eher einen sozialen Abstieg, was vor allem an den Sozialreformen seit dem Jahrtausendwechsel liegt. Ein Viertel plus wenige sind wenig mehr als ein Viertel. Und wie fühlt sich die Mehrheit?

Wie kein anderer Tag im Jahr bietet der Jahrestag der deutschen Einheit immer wieder Anlass, Ost und West aufzurechnen. Und die ewig Verdrossenen finden ebenso viele Argumente für das Noch-nicht-zusammengewachsen-Sein wie die Berufsoptimisten für ihre stolzen Bilanzen. Dass der Zusammenbruch des maroden DDR-Wirtschaftssystems mit Massenentlassungen eine ganze Generation nachhaltig beschädigt hat, dass die Abwanderung zu den Ausbildungs- und Arbeitsplätzen ganze östliche Landstriche ausbluten ließ, dass der Osten dem Westen beim Einkommens- und Wohlstandsniveau wohl auf ewig hinterherlaufen wird – das gehört 23 Jahre nach der deutschen Einheit ebenso zur Wahrheit wie der andere Befund: dass die Städte und Dörfer zwischen Kap Arkona und Thüringer Wald noch nie so freundlich und gepflegt aussahen wie heute, dass die Menschen dort länger leben, gesünder sind und ihre Umwelt sauberer denn je ist. Wenn sich dieses vereinte Deutschland heute mühen muss, auch die westdeutschen Problemregionen nicht zu kurz kommen zu lassen, ist es doch irgendwie angekommen.

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