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Harald Martenstein.

© dpa

25 Jahre Privat-TV: Was ihr wollt

Die meisten Beispiele für gutes Fernsehen stammten aus Privatsendern. Das ist kein Zufall. Auch nach 25 langen Jahren haben die Öffentlich-Rechtlichen keine Antwort auf die private Herausforderung gefunden.

Anfang Januar 1984 ging das „Kabelpilotprojekt Ludwigshafen“ auf Sendung, später umbenannt in „Sat1“. Als vor 25 Jahren in Deutschland das Privatfernsehen eingeführt wurde, sollte damit nicht etwa die Kultur verändert werden oder der Alltag, sondern die Politik. Treibende Kraft war die CDU, die entscheidenden Fäden zog der Postminister Christian Schwarz-Schilling. Die CDU, frustriert von der ihrer Ansicht nach unausrottbaren Linksliberalität der öffentlich-rechtlichen Journalisten, erhoffte sich vom Privatfernsehen eine für sie günstigere Medienlandschaft. Die Hoffnung erfüllte sich nicht. Das Privatfernsehen war an Parteipolitik nur wenig interessiert. Verändert haben sich die Kultur und der Alltag. Schwer vorstellbar, dass – im Ausland erfundene – Sendungen wie „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ unter öffentlich-rechtlichen Verhältnissen hierzulande übernommen worden wären.

Dass die schlimmsten Befürchtungen eingetreten seien, behauptete vor einiger Zeit der alte Kritiker Marcel Reich-Ranicki. Das Fernsehen, sagte er sinngemäß, sei dumm und niveaulos. Man kann die gleiche Diagnose auch anders formulieren: Das Fernsehen ist nicht mehr pädagogisch. Das Fernsehen sendet, jedenfalls meistens, nicht mehr das, was eine gebildete Elite sich wünscht oder dem Volke, mit guten Gründen vielleicht, zuzuteilen geruht. Seit es Privatfernsehen gibt, wird gesendet, was die Leute sehen möchten. „Quote“, „Markt“, „Demokratie“, diese drei Wörter beschreiben das Gleiche, die Herrschaft der Mehrheit. Demokratie hat viele Vorteile, aber es kommt dabei als kulturelles Endprodukt nicht unbedingt Niveau heraus. Künstlerische Wagnisse, neue, komplizierte Ideen, Bildung, all das kommt ohne ein bisschen Zwang und ohne Nachhilfe nicht auf die Welt.

Trotzdem, wer möchte schon ernsthaft den alten Zustand zurückhaben? Vor 25 Jahren funktionierte das Fernsehen wie eine Heizung. Man stellte die Maschine an und sie strahlte immer das Gleiche ab, Wärme oder eben eine Art „Tagesschau“. Heute ist das Fernsehen eine weite, zerklüftete Landschaft, in der jeder fast alles finden kann, wenn er nur sucht. In den ersten Jahren des Privatfernsehens machten ein neues Gerät und ein neues Wort Karriere, die Fernbedienung und das Zappen. Heute ist das Zappen wieder aus der Mode gekommen. Es gibt zu viel, auch zu viel Schrott. Wer fernsieht, braucht einen Kompass.

Als Gegenbeweis zu seiner Niedergangstheorie wurden Reich-Ranicki zahlreiche Sendungen vorgehalten, die für ein Fernsehen stehen, das auch Gebildeten gefällt: amerikanische Serien wie „24“ oder die „Sopranos“, deutsche Serien wie „Stromberg“, Frank Plasbergs Talkshow, die Simpsons, die Liste ließe sich lange fortführen. Die meisten Beispiele für gutes Fernsehen stammten aus Privatsendern. Das ist kein Zufall. Auch nach 25 langen Jahren haben die Öffentlich-Rechtlichen keine Antwort auf die private Herausforderung gefunden. Ihre Lage ist schwierig, das stimmt. Werden sie zu populär, wirft man ihnen die Gebühren vor, die sie kassieren. Die Privaten leisten das Gleiche gratis! Werden sie zu elitär, wirft man ihnen ebenfalls die Gebühren vor. Jeder muss zahlen, aber ihr macht nur ein Programm für wenige!

ARD und ZDF haben die Politik und das Pädagogische zu großen Teilen auf Beiboote wie „Phoenix“ oder „3Sat“ ausgelagert, die Mutterschiffe halten sich meist in der Flussmitte auf, ein risikoloses, innovationsloses, im Wesentlichen bei den Privaten abgeschautes Programm, das niemanden begeistert und niemanden ärgert. Hier gibt es wirklich Niedergang. Selbst der Ankauf intelligenter amerikanischer Serien ist für ARD und ZDF inzwischen eine zu große Herausforderung. Die Abwesenheit von Werbeblöcken im Abendprogramm ist heute tatsächlich das stärkste Argument für die Programme von ARD und ZDF. Ob das auf die Dauer reichen wird? Sein 50. Jubiläum wird das Privatfernsehen ganz sicher erleben, bei den Öffentlich-Rechtlichen, in ihrer heutigen Form, ist die Zukunft weniger sicher.

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