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Meinung: Abgerechnet wird in Stimmen

Von Stephan-Andreas Casdorff

Opposition ist Regierung im Wartestand, nicht wahr? Jedenfalls gilt das als eine der ehernen Wahrheiten der Demokratie. Deshalb werden ja auch manche Abstimmungen im Parlament so wichtig genommen. Deshalb war es so wichtig, dass Franz Müntefering als Fraktionschef der stärksten Regierungspartei die Kanzlermehrheit für seinen Kandidaten für das Amt des Wehrbeauftragten, Reinhold Robbe, zusammenbekommt. Nun, das hat er geschafft. Ein Arbeitssieg, in jeder Hinsicht, kein Triumph. Wehe, wenn nicht, dann hätte nicht nur Müntefering, sondern die Regierung ganz, ganz tief in der Krise gesteckt. So ist sie ja auch schon tief genug.

Aber Politik steckt doch immer wieder voller Überraschungen. Wie es der Job von Müntefering war, die Mehrheit zusammenzubringen, so war es der von Angela Merkel, die Oppositionsreihen zu schließen, um zu zeigen, dass sie „tariffähig“ ist, wie der Kanzler immer wieder gerne sagt. Nimmt man Stimmen als harte Währung, hat Merkel, die Fraktionschefin der stärksten Oppositionspartei, noch nicht mal den Mindestlohn erhalten. Für Robbe stimmten sogar Abgeordnete der Opposition.

Die Stimmung bei Union und FDP ist entsprechend. Aufgeladen, wie diese Abstimmung war – und das nicht allein von den Medien, sondern auch durch die Beteiligten –, musste Merkel klar sein, was erwartet wird: Zumindest, dass FDP-Kandidat Günther Nolting (fast) alle Stimmen der Opposition erhält. Besser noch, dass eine weitere Wahl nötig wird. Aber schon das erste Ziel wurde weit verfehlt. FDP-Chef Westerwelle ist deshalb sauer, verständlicherweise. Allerdings kann Merkel ihm sagen, dass seine Partei auch nicht immer die Stimmen bringt, die man für gemeinsame Siege braucht. Oder sind die vergangenen Wahlen schon vergessen? Richtig ist außerdem, dass auch die CSU in der Pflicht war; Westerwelle hatte ja vorher eigens mit deren Chef Edmund Stoiber gesprochen. Nur, das Ergebnis bleibt. Es ist eine Niederlage – nicht zuletzt für Merkel. Aber die nächste Abstimmung kommt bestimmt. Demnächst in NRW.

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