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Meinung: Abgesang

Berichterstattung zum Rücktritt des Bundespräsidenten Christian Wulff Der Pulverdampf verzieht sich langsam und zurück bleiben zumindest keine Sieger. Auch nicht die Medien, die Christian Wulff in den letzten Wochen beinahe täglich abgeschrieben, respektive aus dem Amt geschrieben haben.

Berichterstattung zum Rücktritt des Bundespräsidenten Christian Wulff

Der Pulverdampf verzieht sich langsam und zurück bleiben zumindest keine Sieger. Auch nicht die Medien, die Christian Wulff in den letzten Wochen beinahe täglich abgeschrieben, respektive aus dem Amt geschrieben haben. Die zerrüttete zickzack fahrende Zweckkoalition um Kanzlerin Merkel verliert bereits ihren zweiten Bundespräsidenten, was sinnbildlich für den Zustand dieser Regierung ist.

Christian Wulff hat wohl in seiner Vergangenheit als Politiker sicherlich nicht immer sehr glücklich agiert und zuweilen ethische und moralische Werte vermissen lassen. Die mediale Schlammschlacht gegen seine Person ging jedoch zuweilen definitiv zu weit. Vielleicht führt sein Rücktritt zu einem dringend nötigen Selbstreflexionsprozess innerhalb der Medienlandschaft in Deutschland, dann hätte die Affäre auch ihr Gutes. Die Grundsatzfrage jedoch lautet, können Politiker bessere Menschen sein? Diese Frage ist rational sehr schnell beantwortet, und die Antwort lautet: Nein.

Pascal Merz, Sursee (Schweiz)

Ungeachtet der Frage, ob Herr Wulff nicht schon viel früher seinen Rücktritt hätte erklären sollen, bevor Ermittlungen gegen ihn aufgenommen wurden, bleibt festzuhalten, dass die Staatsanwaltschaft eine weisungsgebundene Behörde im Gegensatz zu Richtern ist und dass in Niedersachsen Justiz- und das Innenministerium ebenso von der CDU besetzt sind wie das Amt des Ministerpräsidenten, und trotzdem offensichtlich niemand in Hannover die dortige Staatsanwaltschaft gestoppt hat. Da bekanntermaßen Herr Wulff ebenfalls der CDU angehört, wurde er somit letztlich von den eigenen Leuten zum Abschuss freigegeben. Ach ja, das C in CDU steht ja für christlich.

René Kall, Berlin-Buckow

Obwohl das Bundespräsidentenamt in erster Linie repräsentative Aufgaben hat, bestimmt lediglich eine Handvoll Politiker den Kandidaten und eine ausgewählte Personengruppe wählt ihn dann. Es besteht noch reichlich Handlungsbedarf, bevor das deutsche Volk tatsächlich seine Geschicke steuern kann.

Jürgen Schröder, Berlin-Frohnau

Bundespräsident Wulff hat Anspruch auf Ehrensold, solange er keiner Straftat überführt wird. Das ist falsch. Ob Bundespräsident Wulff der Ehrensold zusteht, hat mit einer strafrechtlichen Verurteilung nichts zu tun; es ist auch keine Frage des Ermessens oder des „Verdient“-Habens. Die Frage ist simpel nach dem hier und jetzt geltenden Recht zu beantworten. Die Auslegung der maßgebenden Vorschriften und der Abgleich mit der Sachlage zeigen: Bundespräsident Wulff hat keinen Anspruch auf den Ehrensold. Eine andere Ansicht ist rechtlich nicht vertretbar. Man mag de lege ferenda diskutieren, ob das Ergebnis angemessen sei. Auch mag, wer dies für angebracht hält, Bundespräsident Wulff etwas spenden oder auslegen. Aber: Nach beklagenswerten Ausrutschern etwa beim Atom-„Ausstieg“ oder im Umgang mit dem Zugangserschwerungsgesetz ist es angezeigt, der Bindung an Recht und Gesetz den Vorzug zu geben vor Freestyle-Entscheidungen und gefühlig-diffuser Abwägerei.

Lars Getschmann, Berlin-Schöneberg

Christian Wulff ist also zurückgetreten. Wäre es nicht passend, wenigstens jetzt einige freundliche Worte zu finden? Ich finde es höchst bedauerlich in einer Gesellschaft zu leben, die es toleriert, dass eine moderne Hexenjagd veranstaltet wird, an deren Ende der Angeklagte schon vor dem Richterspruch gehängt wird. Wulff hätte ein guter Bundespräsident sein können, wenn man seine Stärken wichtiger genommen hätte als seine Schwächen. Vielleicht könnten wir ihm einfach danken für seine Ziele und für seine Bereitschaft sich dafür einzusetzen.

Katharina Borzeszkowsk, Oldenburg

Wir haben nach der Rücktrittserklärung des Bundespräsidenten spontan mit einem Glas Sekt darauf getrunken, dass Anstand und Moral und so manch’ andere Tugend gesiegt haben, und dachten dabei an die letzten Zeilen aus Kurt Tucholskys Gedicht „Das Ideal “:

...

Wir möchten so viel:

Haben. Sein. Und gelten.

Daß einer alles hat:

das ist sehr selten.

Doreen und Erich Roth,

Berlin-Lichtenrade

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