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Meinung: Absturz der Anständigen

Die NPD wird nicht verboten – auch, weil ein Verbot nicht mehr wirklich wichtig ist

Welch ein Glück, es droht Krieg. Otto Schily darf das vielleicht denken, sagen darf er es nicht. Doch es rettet ihm das Amt – dass es Wichtigeres gibt als ein Verbot der NPD. Das mit großem politischen Ballyhoo angeschobene Verfahren gegen die Rechtsextremen ist in Karlsruhe krachend an die Wand gefahren. Ein Desaster, dass alle Beteiligten bis auf die Knochen blamiert. Der Innenminister trägt dafür vielleicht nicht die Schuld, wohl aber die Verantwortung.

Haben nun jene Zweifler Recht bekommen, die das Verbot einer braunen Null-Komma-x-Partei von Anfang an mit Skepsis beäugten? Nein. Die NPD ist es wert, verboten zu werden. Ob dies auch sinnvoll ist, darüber mag man streiten, das Recht aber bot und bietet die Möglichkeit dazu. Hätte es den Skandal um die V-Leute nicht gegeben, hätte sich das Bundesverfassungsgericht dem wohl auch nicht verschlossen.

Hätte. So aber konnte es nicht gut gehen. Es war kein Geheimnis, dass die Partei mit Spitzeln durchsetzt ist. Es war auch kein Geheimnis, dass dies ein Risiko für den Prozess sein würde. Es war jedoch ein Riesenfehler, in den Antragsschriften ein Geheimnis daraus zu machen. Als dann ein Abteilungsleiter des Innenministeriums nebenbei am Telefon auf die Spitzel hinwies, mussten sich die Richter auf den Arm genommen fühlen. An diesem Stil hat sich im weiteren Verlauf wenig geändert. Statt in Demut sein Haupt zu senken und das Gericht umfassend zu informieren, spielte Otto Schily starker Staat und gab der Justiz zu verstehen, wie sie die Panne zu sehen habe: als Bagatelle.

Er irrte. Schily meinte, es käme allein darauf an, ob der Verfassungsschutz die Partei gesteuert habe. Das hat er gewiss nicht. Aber dieses Kriterium ist falsch und wird auch nicht richtiger dadurch, dass ihm eine Mehrheit der Richter gefolgt ist. Ein Parteiverbot muss man sich wie einen Strafprozess vorstellen. Es muss Beweise geben. Und am Ende müssen die Richter von der Schuld der NPD voll überzeugt sein. Gibt es Zweifel, gibt es Unklarheiten, wer noch mitgemischt hat, kann der Angeklagte nicht verurteilt, kann eine Partei nicht verboten werden. Und Unklarheiten wegen der V-Leute gab es zuhauf.

Die Richter standen vor der Wahl, diese rechtlichen Grundregeln im stillen Pakt mit der Politik zu ignorieren oder – was ihre eigentliche Aufgabe ist – auf ihre Einhaltung zu pochen. Das müsste der Jurist Schily wissen. Wenn er den drei Richtern, die nun den Ausschlag gegeben haben, indirekt unterstellt, sie hätten mit ihrem Votum unüberwindbare Hürden für Parteiverbote aufgestellt, so zeigt dies bestenfalls, dass er den Beschluss des Gerichts nicht verstanden hat. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er dringend ein paar Buhmänner braucht.

Die NPD kann sich sicher fühlen. So lange sie mit V-Leuten bespitzelt wird, kann sie nicht verboten werden. Das wird sie nicht stärken, weil eine Partei noch lange nicht allein deshalb gewählt wird, weil sie einfach nur da ist. Ohnehin ist die Zeit über die NPD selbst so hinweggegangen wie über die Relevanz ihres Verbots. Gewiss, die meisten Deutschen befürworten eine Zerschlagung. Aber wirklich wichtig wie einst, als man gegen Rechts noch Kerzen angezündet hat, ist es ihnen nicht mehr. Dies mildert die Niederlage des Staates und schmälert den Triumph der Rechten. So wird das geplatzte Verfahren als hochnotpeinlich in Erinnerung bleiben, nicht als nationale Katastrophe. Dazu passt, dass NPD-Anwalt Horst Mahler die Partei jetzt nur deshalb verlassen hat, weil sie eben nicht verboten wird. Es wäre zum Lachen, wenn es nicht alles zum Heulen wäre.

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