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Im ADAC-Skandal wächst der Druck auf den Autoclub.

© dpa

ADAC, BER und kein Ende: Gedränge hinter der Fichte

"Systematisch hinter die Fichte geführt." Seit jeher verwenden Politiker dieses Sprachbild nur allzu gern. Ganz Berlin und Millionen Autofahrer vereinen sich hinter ihr - wenn man die Politiker beim Wort nimmt. Nach Peer Steinbrück, dem Meister der Fichtenmetaphorik, hat nun Renate Künast die Lizenz erworben - und sofort auf den ADAC angewandt.

Es wird langsam voll hinter der Fichte. Immer will uns irgendjemand hinter sie führen, und es braucht schon eine Durchblick-Fachkraft wie Renate Künast, um jeden einzelnen dieser Versuche zu protokollieren. „Lange Zeit hat Klaus Wowereit Berlin systematisch hinter die Fichte geführt“ – das war ihr Vorwurf Anfang 2013, als klar wurde, dass er zumindest beim Flughafen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sah.

Nun erneut die gleiche Diagnose: „Der ADAC hat Millionen Autofahrer hinter die Fichte geführt.“ Auf das Wort „systematisch“ verzichtet die grüne Verbraucherschützerin diesmal, möglicherweise ein Zeichen dafür, dass das Fichtenführen im Allgemeinen immer noch weitgehend ohne System abläuft.

Denn wie breit dieser mythische Baum auch immer sein mag: Er kann unmöglich ganz Berlin und Millionen Autofahrer hinter sich vereinen, auch wenn die Berliner Autofahrer ja nun doppelt in die Zählung eingehen, nämlich als Wowereit- und ADAC-Opfer. Eine Fichte ist vielleicht 40 Meter hoch und zwei Meter dick, das reicht für eine Menge WG-Regale, aber nicht für diese Menschenmenge, die ja zudem motorisiert ist und nicht einfach so hocken bleibt.

Ob Gregor Gysi es noch schafft, die Fichten-Patenschaft zu erlangen?

In Wirklichkeit sagt uns das Sprachbild mehr über denjenigen, der es benutzt. Vieles deutet darauf hin, dass es von Guido Westerwelle um 1999 herum in den politischen Diskurs eingeführt wurde. „Die neue Mitte wollte sich in Hessen nicht zum zweiten Mal hinter die Fichte führen lassen“, lautet sein Schlüsselsatz. Dann wurde der Baum durchgereicht, erschien bei Hoffnungsträgern wie Sigmar Gabriel, Jürgen Trittin und Hubertus Heil, wurde aber nie von einem ranghohen CDU-Vertreter bestiegen. Bis heute nicht! Denn der Meister der Fichtenmetaphorik war Peer Steinbrück, ein wahrer Oberförster der Redekunst – was aber damit zu tun haben könnte, dass das Bild auch stilistisch in seinen Schnack passt.

Beziehungsweise: gepasst hat. Denn mit Steinbrücks Abtreten aus der Politik wurde die Fichte frei zur weiteren Nutzung, und Renate Künast hat, wie es scheint, die Lizenz erworben. Dabei hielten wir sie nach all den Niederlagen zuletzt eher für eine oppositionelle Randfichte. Ob Gregor Gysi es noch schafft, ihr die Patenschaft abzujagen?

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