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Afghanistan: Der Schatz der Taliban

Das Opiumproblem in Afghanistan lässt sich nur mit Geld lösen. Der Antidrogenkampf der USA hat die Situation verschärft. Auf Druck der Schutzmacht ließ Kabul zahlreiche Mohnfelder umpflügen und die Ernten vernichten – und zerstörte damit die Existenzgrundlage vieler Bauern.

Der Schatz der Taliban ist braun, klebrig und riecht nach abgestandenem Blumenwasser. Etwa 3000 Tonnen der unappetitlichen Masse sollen die afghanischen Aufständischen versteckt haben, als Notgroschen für ihre Kriegskasse: Opium ist die Goldreserve des Schwarzmarktes.

Gefördert hat den Reichtum der Rebellen ausgerechnet der Antidrogenkampf der USA. Auf Druck der Schutzmacht ließ Kabul zahlreiche Mohnfelder umpflügen und die Ernten vernichten – und zerstörte damit die Existenzgrundlage vieler Bauern in einem Land, das ein Drittel seiner Einnahmen aus dem Drogengeschäft bezieht. Nach Einschätzung von Afghanistan-Experten ist der US-Feldzug gegen den Opiumanbau einer der wichtigsten Gründe für die zunehmende Unterstützung der Taliban durch die Landbevölkerung.

Nach einem aktuellen Bericht der UN stammen 93 Prozent des weltweit produzierten Opiums aus Afghanistan: Während in den 80er Jahren das berüchtigte „Goldene Dreieck“ aus Birma, Laos und Thailand die Junkies in aller Welt versorgte, hat heute der „Goldene Halbmond“ der Taliban eine Monopolstellung bei den internationalen Drogenkartellen. Seit der Invasion im Jahre 2001 haben sich die Anbauflächen nahezu verdreifacht, allein im vergangenen Jahr stieg der Ertrag um ein Drittel auf 8200 Tonnen jährlich. Weil die Nachfrage annähernd konstant geblieben ist, lagern die Taliban überschüssiges Opium als Schwarzmarktdevise ein.

Für rohes Opium, das getrocknete Harz aus der Samenkapsel des Schlafmohns, bekommen afghanische Bauern etwa 122 Dollar das Kilo. Die geschäftstüchtigen Taliban sind jedoch gerade dabei, die inländische Wertschöpfungskette zu verlängern: In einfachen Kesseln wird das Rohopium mit kochendem Wasser und Kalk verrührt, wobei die meisten Pflanzenbestandteile zu Boden sinken. An der Oberfläche der Flüssigkeit bildet sich eine graue Schicht aus Morphium, dem wichtigsten Inhaltsstoff des Schlafmohns. Das Morphium wird abgeschöpft, mit Ammoniak gewaschen, gefiltert und in der Sonne getrocknet. Die so entstandene „Morphinbase“ ist nahezu geruchlos, formbar wie Plastilin und lässt sich bequem in Plattenform schmuggeln.

Die weitere, technisch aufwendige Verarbeitung zu Heroin (Diacetylmorphin) fand bis vor kurzem weitgehend im Ausland, hauptsächlich in der Türkei statt. Für die vier Produktionsschritte werden spezielle Geräte und Chemikalien wie Essigsäureanhydrid, Chloroform und Aktivkohle benötigt. Neuerdings rüsten jedoch auch afghanische Labore auf und stellen nicht nur Morphinbase, sondern auch gelbes oder weißes Heroin her. Aus zehn Kilo Opium wird etwa ein Kilo Heroin, mit einem lokalen Abgabepreis um die 15 000 Dollar.

Um die Geldquelle der Gotteskrieger stillzulegen, wollen die USA jetzt landesweit das Unkrautmittel Glyphosate per Flugzeug auf die Mohnfelder sprühen. Für die spektakuläre Aktion wurde eigens der frühere kolumbianische US-Botschafter William B. Wood nach Kabul versetzt, der über vier Jahre Luftkriegserfahrung gegen Kokapflanzen verfügt. Kenner des Landes halten jedoch ein afghanisches Remake des „Plan Colombia“ für keine gute Idee. Die Propaganda der Taliban würde das Versprühen amerikanischer Chemikalien per Flugzeug wahrscheinlich als „chemische Kriegsführung“ ausschlachten und mit dem tödlichen Entlaubungsmittel „Agent Orange“ aus dem Vietnamkrieg vergleichen.

Einen anderen Weg schlägt das auf Afghanistan spezialisierte Politikinstitut Senlis vor: Der afghanische Mohnanbau solle legalisiert und die gesamte Ernte für die Arzneimittelproduktion aufgekauft werden. Die originelle Idee hat jedoch einen Haken: Da Rohopium nur einen Bruchteil von Morphinbase oder Heroin kostet, ist für die Taliban und regionalen Warlords der Umstieg ins legale Pharmageschäft nicht attraktiv. Ohne effektive militärische Kontrolle ist der Plan deshalb nicht realisierbar.

Auf der Suche nach einer Lösung des afghanischen Opiumproblems lohnt sich ein Blick in das ehemalige „Goldene Dreieck“: Dort haben insbesondere Verbesserungen der Infrastruktur und attraktive wirtschaftliche Alternativen für die Bauern den Drogenanbau verdrängt. Am deutlichsten wird dies in Birma: Die einstige Drogenhochburg im Norden des Landes ist opiumfrei, seit das angrenzende China massiv in den Anbau von Gummi, Zuckerrohr und Tee investierte. Das beste Mittel gegen Opium ist immer noch die Droge Geld.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle.Foto: J. Peyer

Ein Kommentar von Alexander S. Kekulé

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