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Meinung: Afghanistan ist nicht zu gewinnen

Aber der Westen darf nicht als Verlierer gehen. Ziviler Aufbau muss darum Vorrang haben

Und wieder ein Anschlag, ein Selbstmordattentat mit Toten und Verletzten. Afghanistan kommt nicht zur Ruhe, Jahre, nachdem die westlichen Alliierten die Taliban von der Macht verdrängt haben. Sie sind immer noch da, immer wieder da, haben diese Hydra-Stärke, die erschreckend wirkt: Werden die Taliban an einer Stelle getroffen, sind sie kurzzeitig verwundet; dann aber wachsen dort und an anderer Stelle neue Kräfte nach. Tragisch ist das.

Die Taliban lauern vor den Toren zu den Feldlagern der Soldaten, auch der deutschen, stehen auf den Hügeln, beobachten alles, haben ihre Zuträger überall, auch unter den Polizisten, die vom Westen erst ausgebildet werden. So ist zu erklären, dass Anschläge gelingen, und nicht selten ist es nur Glück, dass nicht mehr passiert. Nicht noch mehr als das ohnehin schon Entsetzliche.

Ja, man muss sagen, dass alle die Skeptiker recht hatten, die davor warnten, sich auf einen Einsatz in Afghanistan einzulassen, in vorderster Front Helmut Schmidt, der Ex-Kanzler und Ex-Verteidigungsminister, der selbst noch jahrelange Kriegserfahrung hat. Er hatte bereits im Juli 2008, wie er selbst berichtet, in einem längeren Gespräch zu viert Kanzlerin Merkel, Verteidigungsminister Jung und Generalinspekteur Schneiderhan die weitgehende Aussichtslosigkeit des Vorhabens erläutert, diesen Krieg zu „gewinnen“. Bestenfalls schienen ihm regionale Teilerfolge erreichbar zu sein. Aber selbst die stehen jetzt infrage. Ideen wie die von Außenminister Guido Westerwelle, Taliban mit Geld aus ihrem Umfeld herauszulocken, um dann die Gemäßigten unter ihnen für eine Abkehr vom Terrorismus zu gewinnen, haben keinen weiteren Erfolg gebracht.

Von Schmidt stammen allerdings auch zwei Handlungshinweise, die bis heute gelten. Er hatte zum einen die „ursprüngliche deutsche Beteiligung und die deutsche Konzentration auf die Aufbauarbeit als legitim und als plausibel“ bezeichnet. Ein Rückzug darauf, und zwar auf einen Aufbau mit nichtmilitärischen Mitteln, ist immer noch möglich; er ist vor allem dann möglich, wenn tatsächliche Inseln der Sicherheit identifiziert werden können. Zum zweiten, sagte Schmidt, gebiete es das deutsche Interesse, dass die Bundesrepublik sich weder innerhalb der Nato noch innerhalb der Europäischen Union isoliert, „zum Beispiel durch ein alleiniges oder früheres Ausscheiden aus der gemeinsamen Intervention“. Auch um die Funktionsfähigkeit von Nato und EU nicht einzuschränken.

Die Lage ist nun so ernst, dass die Partner ihr Vorgehen neu abstimmen sollten. Denn ist der Krieg auch nicht zu gewinnen – beide Institutionen dürfen nicht als Verlierer das Land verlassen. Nach dieser Logik wären die Anstrengungen für den Aufbau einer Zivilgesellschaft noch kurzzeitig einmal zu erhöhen, um früher abziehen zu können. Die Zeit drängt.

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