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Afghanistan: Krieg ohne Plan und Strategie

Der Krieg in Afghanistan dauert nun schon zehn Jahre. Er hat Tausende Menschen das Leben gekostet und Abermilliarden verschlungen. Es bräuchte eine Politik, die keine Fortsetzung des Krieges ist, sondern dessen Ersatz.

Von Michael Schmidt

Die Trümmer glühen noch, als am 12. September 2001 die Nato zum ersten Mal in ihrer Geschichte den Bündnisfall erklärt. Und kaum vier Wochen nachdem Al-Qaida-Terroristen mit Flugzeugen in die Zwillingstürme des World Trade Center in New York gerast sind, am 7. Oktober, fliegt eine US-geführte Koalition die ersten Luftangriffe in Afghanistan. Das Datum markiert den überhasteten Beginn eines Krieges, der keine Fortsetzung der Politik war, sondern deren Ersatz.

2001 wusste die westliche Allianz nämlich durchaus nicht, was sie tat. Sie hatte keinen Plan, keine Strategie, keine Ahnung. Man hatte Afghanistan jahrelang ignoriert, interessierte sich nicht für ethnische Strukturen, Clanherrschaften, Stammesgesellschaften und ging von einem kurzen Einsatz aus. Heute ist der Westen klüger, aus Schaden, weiß aber trotzdem nicht, was er tun soll.

Der Krieg, der, seit Anfang 2002 mit deutscher Beteiligung, bereits ins elfte Jahr geht, hat Abermilliarden verschlungen, Tausenden Menschen das Leben gekostet und dem geschundenen Land weder Frieden noch Sicherheit, noch Wohlstand gebracht. Was als Strafaktion begann, hat sich zu einem politischen Fiasko entwickelt. An der Spitze des Staates steht, vom Westen gestützt, in Hamid Karsai ein Präsident, der des Wahlbetrugs überführt ist. Die ausländischen Soldaten, inzwischen weit mehr als 100 000, sind nicht die Lösung, sondern Teil des Problems. Der zivile Aufbau des zerstörten, von Korruption zerfressenen Landes erweist sich, trotz unbestreitbarer Fortschritte beim Bau von Brunnen, Straßen und Mädchenschulen, als schwierig. Einzig der Drogenanbau boomt.

So wurde der Krieg in Afghanistan für die Staatengemeinschaft zum Vater manch bitterer Erkenntnis. Der Westen musste einsehen, dass es nicht in seiner Macht steht, zu tun, was er für wünschenswert hält: ein Land von außen umzugestalten, ihm andere Werte zu vermitteln, eine andere Kultur nahezubringen. Die Allianz musste lernen, dass ein asymmetrischer Krieg nicht zu gewinnen ist. Im Gegenteil, viele Köpfe und Herzen gingen verloren, Hoffnungen wurden enttäuscht, auch weil Hightech-Truppen im Kampf mit Sandalen-Kriegern militärisch und moralisch immer eine schlechte Figur machen. Die Ziele der Mission wurden wiederholt geändert – und doch kaum eines erreicht.

Zuletzt hatte die Politik nur mehr die Wahl zwischen Pest und Cholera. Entweder an der Viel-hilft-viel-Strategie festhalten, obwohl man weiß, dass Mehr nicht mehr hilft. Oder abziehen. Man entschied sich dafür, das Land bis 2014 den Afghanen zurück zu überantworten. Für die Menschen am Hindukusch eine Katastrophe – Extremisten werden das Machtvakuum füllen; für die Bürger in den Truppenstellernationen ein überfälliger Schritt – sie wissen schon lange nicht mehr, wofür sie ihre Leute in diesen Krieg schicken und sterben lassen.

Was es jetzt brauchte, wäre eine Politik, die keine Fortsetzung des Krieges ist, sondern dessen Ersatz. Ob es dazu kommt? Afghanistan ist zwar nicht mehr das Hauptquartier des internationalen Terrorismus, doch dem Land wird auch künftig die Aufmerksamkeit der Welt sicher sein. Denn die Global Player der Gegenwart haben ein immenses geopolitisch-strategisches Interesse an der Region. Der Kampf tobt um Militärbasen, Bodenschätze, Pipelines. Es ist der eigentliche Kampf. Um die eigentlichen Ziele. Davon war bisher auffallend wenig die Rede. Zu wenig.

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