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Afghanistan wählt: Karger Boden

In Afghanistan wurde viel erreicht. Das wird hierzulande oft zu gering geschätzt. Schulen wurden gebaut, die medizinische Versorgung verbessert und die Stellung der Frauen aufgewertet. Am Donnerstag wird gewählt – eine Weichenstellung für die Zukunft des Landes.

Von Michael Schmidt

Wo ist eigentlich Osama bin Laden? Acht Jahre nach dem Einmarsch in Afghanistan haben die USA ihr einst wichtigstes Kriegsziel noch immer nicht erreicht – den Al-Qaida-Chef und meistgesuchten Terroristen der Welt zur Rechenschaft zu ziehen. Ist das Symptom einer Politik, die mit dem Versuch zu scheitern droht, den Einsatz in Afghanistan zu einem guten Ende und Sicherheit mit Stabilität an den Hindukusch zu bringen?

Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt, reich nur an Mangel, Entbehrung und einer Geschichte voller Kriege. Es gilt seit jeher als schwierig bis gar nicht regierbar. Ein Land, doppelt so groß wie die Bundesrepublik, dessen Schicksal nicht zuletzt durch seine Geografie bestimmt wird. Karger, unfruchtbarer Boden, in der Mitte ein bis zu 7700 Meter hoch aufragendes Gebirge. Die 33 Millionen Einwohner sind geschlagen mit Wassermangel und Krankheit, nur die wenigsten können Lesen und Schreiben. Ethnien, Stämme, Clans konkurrieren seit Jahrhunderten um Macht und Einfluss, in jüngerer Zeit kamen Religionen und politische Parteien hinzu. Strukturen, die einigermaßen von Dauer gewesen wären, sind dabei nicht entstanden. Für neu aufkommende Kräfte wie die in den 90er Jahren erstarkenden radikal-islamischen Taliban und das Terrornetzwerk Al Qaida war dieses amorphe Gebilde ein Tummelfeld, in dem sich unbehelligt agieren ließ.

Nach den Anschlägen vom 11. September fühlte sich der Westen insgesamt angegriffen. Was folgte, war der Versuch, so etwas wie Weltinnenpolitik zu betreiben. Dabei wurde in Afghanistan viel erreicht. Das wird hierzulande, wo der Blick auf die militärische Eskalation anderes verstellt, oft allzu gering geschätzt: Am Donnerstag wird gewählt – zum zweiten Mal nach 2001.

Schulen wurden gebaut, Staudämme, Brücken, die medizinische Versorgung verbessert, die Stellung der Frauen aufgewertet, Entwicklungs- und Ausbildungsprojekte angeschoben. Das Ziel: der militärisch flankierte zivile Aufbau des Landes. Dabei geht es nicht zuerst um Menschenrechte und Demokratie, und nicht einfach um die Universalisierung westlicher Werte. Nein – es kann am Hindukusch nur darum gehen, einen Staat zu schaffen. Einen, der Sicherheit gewährt, politische Beteiligung ermöglicht und Perspektiven für die junge Bevölkerungsmehrheit eröffnet. Das Durchschnittsalter der Afghanen liegt bei 17 Jahren. Diese Menschen müssen ein Auskommen haben, Arbeit, ein würdevolles Leben, damit Heilsversprecher ihre Attraktivität verlieren.

Nun lehrt die Geschichte, dass sich am Hindukusch nie irgendeine fremde Macht hat durchsetzen können. Weder sowjetische Besatzer noch britische Unterwerfer. Warum also sollte es jetzt den 42 Nationen der westlichen Allianz gelingen? Womöglich gibt es derzeit keine bessere Antwort als diese, die, wohlgemerkt, Erfolg durchaus nicht garantiert: Weil sie es müssen. Der Westen kann den Krieg nicht gewinnen, aber er darf den Frieden nicht verlieren.

Nicht allein aus Fürsorge für das Land marschierte die internationale Gemeinschaft in Afghanistan ein. Das ist ein nachgeschobenes Argument, und es mag jetzt, da man einmal im Land ist, durchaus an Gewicht gewinnen. Am Anfang aber stand etwas anderes: der Selbstschutz gegen terroristische Bedrohungen, und der Wunsch, eine der bevölkerungsreichsten Weltregionen mit wichtigen Rohstoffen und Handelswegen nicht in Instabilität abrutschen zu lassen. Das gilt nach wie vor.

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