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Meinung: Afrika will neu entdeckt werden

Mehr als Hunger und Katastrophen: Der Bundespräsident bereist den schwarzen Kontinent

Verkehrte Welt? An diesem Montag bricht der Ökonom Horst Köhler, Bundespräsident mit konservativer Note, zu seiner ersten großen Reise auf – nach Afrika. Seine Botschaft: Die Menschlichkeit unserer Welt entscheidet sich am Schicksal dieses Kontinents; wir tragen Verantwortung, müssen aber keineswegs alles akzeptieren, was uns dort als gängige Kultur präsentiert wird. Unterdrückung, Diktatur und Armut zählen nirgendwo zu den Menschenrechten. Derweil reist der Sozialdemokrat Gerhard Schröder nach Asien. Und mit schwingt die Botschaft: China ist entscheidend für unser Schicksal. Wir müssen uns mit dieser kommenden Wirtschaftsmacht gut stellen; dabei können wir auch mal akzeptieren, was unserer Kultur entgegensteht.

Mancher mag jetzt einwenden, solches Engagement gehöre zum Amt des Präsidenten. Doch Horst Köhlers Interesse ist älter. Zwar hat er den Kontinent anfangs eher wider Willen entdeckt. Als Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) kam er im Jahr 2000 zum ersten Mal dorthin. Inzwischen kennt er 20 afrikanische Länder. Mehr als die meisten deutschen Politiker. Und wenn man seine Ansichten hört, kommt einem ein anderer Konservativer in den Sinn: Klaus Töpfer. Auch er redet heute anders als früher. Auch er fordert mehr Engagement für Afrika. Auch der Chef des UN-Umweltprogramms kam einst eher unfreiwillig nach Nairobi. Offenbar öffnen Afrikas Weiten den Blick für Probleme jenseits der deutschen Reformdebatten.

Die meisten Menschen in Deutschland verbinden mit Afrika meist nur Hunger, Katastrophen, Gefahr und Hoffnungslosigkeit. Dabei genießen immer mehr afrikanische Kultur. Um die Musik von Youssou N`Dour zu hören oder die spektakuläre Inszenierung African Footprint in Berlin zu sehen, muss niemand sein Land verlassen. Viele Deutsche machen in Südafrika oder Tansania Urlaub, genießen Safaris. Auch das ist Afrika. Schon ein paar Schritte neben den Hotels eröffnen sich neue Perspektiven. Afrika kann jeder erleben. Wer sich darauf einlässt, nimmt etwas für das eigene Leben mit: Wie viel Lebensfreude und Stolz auch ohne viel Hab und Gut möglich sind, wie viele Menschen sich auch unter widrigsten Bedingungen für ihre Zukunft einsetzen.

Der Präsident interessiert sich inzwischen. Für die Kultur des Kontinents. Aber auch für die neue Politikergeneration. Und er nimmt sich Zeit. Drei Tage geht es nach Sierra Leone, einem der ärmsten Länder der Welt – bis vor kurzem Inbegriff des Chaos. Nach einem internationalen Militäreinsatz keimt dort inzwischen Frieden. Die Menschen geben sich nicht auf – warum sollten wir es tun?

Manchmal reicht es, dass die Engagierten merken, ihre Anstrengungen werden gesehen, ihre Ideen finden Anerkennung. Wenn der Westen zum Beispiel die Afrikanische Union unterstützt, die die Probleme selbst in die Hand nehmen will. Wer sich interessiert, kann ein Freund werden. Und ein Freund kann – und muss – auch unangenehme Dinge benennen. Ohne Besserwisserei. Er sollte sich manchmal einmischen, für die Menschen. Zum Beispiel gegen Beschneidungen. Gegen Gewalt. Zum Beispiel im Sudan. Falsch verstandene Freundschaft hilft nicht, sie schadet.

Natürlich wird Afrika nicht rasch zur Boomregion. Natürlich gibt es viele Probleme. Und die kommen keineswegs alle von außen. Aber Hilfe ist möglich. Freunde sollten aber auch ehrlich sein. Und da nennt auch der Ökonom Köhler Forderungen, die seit Jahrzehnten erhoben werden, aber immer noch nicht durchgesetzt sind. Fairer Handel ist nicht in Sicht. Wir subventionieren weiter in Europa Produkte, die in Afrika viel günstiger hergestellt werden. Wir nehmen damit den Produzenten dort die Chance, von ihrer Arbeit zu leben. Und zu oft werden noch Geschäfte mit denen gemacht, die dem eigenen Volk den Reichtum ihres Landes vorenthalten, sei es beim Öl, sei es bei Diamanten. Nicht zuletzt pusten wir Emissionen in die Luft – in Afrika wachsen in der Folge die Wüsten.

Hilfe für Afrika ist ist auch in unserem Interesse. Denn wenn Menschen zu Hause eine Perspektive haben, bleiben sie dort. Dann muss Europa sich auch keine Gedanken mehr über Flüchtlingslager in Afrika machen. Dass sich Engagement auszahlt, hat Deutschland schon einmal erlebt. Mit Hilfe des malischen Präsidenten kamen die in der algerischen Wüste entführten Touristen frei. Und nicht zu vergessen: Die Deutschen möchten gern in den UN-Sicherheitsrat. Dafür ist die Unterstützung afrikanischer Staaten wichtig, nicht nur die Chinas.

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