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Meinung: Agrarwende: Gut gefragt ist halb geantwortet

Wer merkt schon noch, dass Renate Künast von Agrarpolitik vor vier Wochen noch keine Ahnung hatte? So routiniert, wie die Verbraucherschutzministerin von Flächenprämien, Großvieheinheiten oder Silomais redet.

Wer merkt schon noch, dass Renate Künast von Agrarpolitik vor vier Wochen noch keine Ahnung hatte? So routiniert, wie die Verbraucherschutzministerin von Flächenprämien, Großvieheinheiten oder Silomais redet. Wer fragt Künast noch, ob sie weiß, was das alles bedeutet - sie wird es schon wissen. Renate Künast hat alles richtig gemacht. Oder?

Ihre Ferne zur Agrarlobby hat sich als Vorteil erwiesen. Künast versinkt nicht in der aberwitzigen Logik der europäischen Landwirtschaftspolitik, einer Logik, nach der mit viel Geld die Produktion von Nahrungsmitteln gefördert wird, um die Überschüsse mit hohen Subventionen zu vernichten. Wie die 400 000 älteren Kühe in Deutschland.

Die Ministerin stellt die richtigen Fragen. Es sind die selben, die der Agrarkommissar der Europäischen Union, Franz Fischler, hat: Warum geht es in der landwirtschaftlichen Produktion nicht um Qualität? Warum wendet die Europäische Union knapp die Hälfte ihres üppigen Agraretats von rund 70 Milliarden Mark für Ackerkulturen auf, also Produktionen, die auf Personal weitgehend verzichten können?

Gute Fragen - wie schwierig die Antworten sind, zeigt die erste Regierungserklärung von Renate Künast. Ihre Ziele sind klar: Die Ministerin will die Verbraucher schützen, nicht den Verbrauch. Sie will Klasse statt Masse. Sie will eine "Agrarwende" einleiten. Und dass sie dafür Bündnispartner braucht, muss der erfahrenen Politikerin niemand lange erklären. Ihr nicht. Im Bundestag sprach Künast von einem "magischen Sechseck der Agrarpolitik". Sie meint damit alle Akteure, von den Bauern über den Handel und die Verbraucher bis zur Politik, auch Franz Fischler, einen mächtigen und wichtigen Mitstreiter für die Agrarwende. Doch es ist schwierig, diese widerstreitenden Interessengruppen zusammenzubringen. Dafür muss Renate Künast all ihre Überredungskunst aufbieten. Das gelingt ihr gut, bisher. Selbst der Bauernverband lobt die neue Ministerin in den höchsten Tönen. Die Zustimmung der meisten Verbraucher ist ihr ohnedies gewiss.

Den Rückhalt wird sie brauchen, wenn sie großen Agrarbetrieben einen Teil ihrer Subventionen abnehmen will, um eine ökologisch angepasste Landwirtschaft zu fördern. Diese Möglichkeit sieht die Brüsseler Agrarpolitik ausdrücklich vor. Deutschland hat auf diese Chance zur Umsteuerung jedoch bisher verzichtet. Sie wäre aber ein Mittel, um schnell Veränderungen in der Produktion zu bewirken. Das wäre der Beginn der Agrarwende. Nur hat sich Künast in ihrer Regierungserklärung dazu nicht konkret geäußert.

Die Ministerin hat begonnen, von Sympathie begleitet, ihre Ziele dem Volk zu vermitteln. Vorschläge für eine konkrete Umsetzung hat ihr noch niemand abverlangt; sie fängt ja gerade erst an. Und doch sollte sie damit nicht mehr allzu lange warten: Will sie Lobbygruppen etwas wegnehmen, will sie tatsächlich etwas grundlegend verändern - dann muss sie es schnell tun. Jetzt, am Anfang, weil ihr noch die öffentliche Unterstützung sicher ist. Auch die des Kanzlers. Je länger sie konkrete Entscheidungen vor sich herschiebt, desto schwieriger werden sie. Wenn weiterhin täglich Bilder verzweifelter und wütender Bauern über den Bildschirm flimmern, kann das Gerhard Schröder mit seinem feinen Gespür für Stimmungen auf Dauer nicht egal sein.

Bis gestern hat die Ministerin alles richtig gemacht. Doch bald sollte sie auch ein paar Antworten auf ihre Fragen geben. Sonst ist alles Wohlwollen schnell verbraucht.

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