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Aktienhandel: Perpetuum mobile

Die Anleger haben zu lange an die rosigen Versprechen der Aktienhändler geglaubt. Kommt nun der tiefe Fall?

Börsianer sind wie Autohändler. Zuerst verkaufen sie einem den Neuwagen mit dem angeblich besten Preis-Leistungs-Verhältnis – später nehmen sie den Gebrauchten nur für kleines Geld zurück. Der Wiederverkaufswert von Aktien ist in den vergangenen Tagen dramatisch gesunken. Nicht, dass alle Papiere Schrott wären. Viele Anleger, die vor drei oder vier Jahren mit der berechtigten Annahme eingestiegen sind, ein Schnäppchen gemacht zu haben, verbuchen noch schöne Gewinne auf dem Papier. Aber die Sorge, dass das bald zu Ende sein könnte, treibt viele um. Selbst Blue Chips wie Siemens sind zuletzt gegen die Wand gefahren. Die Stimmung hat sich innerhalb einer Woche dramatisch gedreht und sie ist so schlecht wie lange nicht. Zum ersten Mal seit dem Tiefststand des Dax im Frühling 2003 haben selbst Profis Angst davor, dass sich das Drama der New Economy wiederholen könnte: Erst die Übertreibung, dann der tiefe Fall. Argumente liefern Kennzahlen, die die Nervosität der Investoren messen. Sie sind inzwischen über das Niveau von 1999/2000 gestiegen.

Nicht beruhigen kann die Erkenntnis, dass es gravierende Unterschiede zwischen den beiden Börsenphasen gibt. Gewiss, der luftleere Internet-Hype ist lange überwunden. Der Verdacht liegt trotzdem nahe, dass die Anleger so verführbar wie damals geblieben sind.

Geglaubt haben sie diesmal folgendem Versprechen: Das Geschäft mit Übernahmen und Fusionen wird den Aktienmarkt in Schwung halten und die Kurse treiben. Beteiligungsgesellschaften werden mit ihren weltweit 1,4 Billionen Dollar Anlagevermögen einen endlosen Kapitalstrom an die Börse leiten und die übernommenen Unternehmen profitabler und wertvoller machen. Finanziert werden sie mit billigen Bankkrediten, die niedrige Zinsen gewähren, weil sie Risikokredite an Hedgefonds abgeben können, die ihrerseits Geld damit verdienen. Und weil Kredite so leicht zu bekommen sind, haben sogar die Ärmeren etwas davon, die sich wie in den USA – trotz schwacher Bonität – Häuser auf Pump kaufen konnten. So lautete der Verkaufsschlager an den Börsen.

Doch mit der ersten Pleite von Hedgefonds, den steigenden Zinsen und den wachsenden Problemen bei der Finanzierung großer Übernahmen wie Chrysler kommen Zweifel auf, ob die Börsenwelt so heil ist. Was passiert, wenn das Übernahmegeschäft stockt? Was, wenn Banken die Risiken unterschätzt haben und Kredite in großer Zahl abschreiben müssen?

75 Prozent des täglichen Börsenumsatzes wird heute von großen institutionellen Anlegern, also Banken, Versicherungen und Fonds, gemacht. Wenn jetzt die große Angst an die Börse zurückkehrt, geht es also nicht um ein paar 1000 Kleinanleger, die sich mit Internetaktien verspekuliert haben. Es geht um die, die das große Ganze zusammenhalten. Ziehen sie ihr Geld zurück, weil ihnen die Finanzierungslogik nicht mehr einleuchtet, kommt es zum Crash. An der Börse gibt es dann bald Kaufkurse – leider nur für Hedgefonds.

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