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Meinung: Allah ist mit den Standhaften

Militärisch können die US-Gegner nicht gewinnen – aber sie setzen darauf, dass die Amerikaner die Nerven verlieren

Es war nur eine Frage der Zeit, bis die US-Gegner im Irak einmal ein Flugzeug oder einen Hubschrauber abschießen würden. Zwei bis drei Mal pro Woche werden US- Flugzeuge im Irak mit Raketen beschossen, sagen die Militärs. Irgendwann musste eins getroffen werden – Pech gehabt.

Was aus der nüchtern-statistischen Sicht der Militärs als unausweichlich gilt, ist für die Bush–Regierung politisch ein Desaster. Am Ende einer denkbar schwarzen Woche steht die Frage im Raum, ob die US-Regierung den Irak überhaupt in den Griff bekommen kann. Fast eine Million Tonnen an Waffen sollen im Irak in oftmals unzureichend gesicherten Depots liegen. Etwa 5000 solcher Boden-Luft-Raketen wie sie jetzt zum Abschuss des voll besetzten Chinook-Hubschrauber benutzt wurden, gab es im Irak. Nur ein Drittel davon konnten die Amerikaner bisher sicherstellen. Es gibt also genug frei vagabundierende Waffen, mit denen die Aufständischen US-Truppen gefährden können. Der Kampf ist militärisch nicht zu gewinnen für die Extremisten. Und so ist deren Kalkül ein politisches: Die Besatzer sollen so mürbe gemacht werden, dass die amerikanische Öffentlichkeit irgendwann den Abzug fordert. Ein reiner Nervenkrieg: Wer länger aushält, gewinnt.

Als George W. Bush den zweiten Golfkrieg im Mai für beendet erklärte, hat in Wirklichkeit der dritte begonnen. Ein Guerillakrieg, auf den die US-Truppen erstaunlich schlecht vorbereitet waren. Ihr Problem ist, dass ihnen die Hände gefesselt sind. Wer als Befreier kommt, will Bagdad und andere Städte im sunnitischen Dreieck nicht zum Hochsicherheitstrakt machen und sich die Sympathien der Bevölkerung verscherzen. Hinzu kommt eine Asymmetrie in den Zielen: Die Amerikaner wollen mit den Irakern einen neuen Staat aufbauen. Die Extremisten verfolgen keine konstruktiven Vorhaben. Ihnen geht es darum, zu zerstören – und das ist allemal leichter, als aufzubauen.

Nicht ohne Grund hat es bisher weder Bekennerschreiben gegeben, noch haben die Extremisten ein politisches Programm verkündet. Denn weder die Wiederherstellung des Saddam-Regimes noch die Errichtung eines Gottesstaates würde viele Anhänger unter den Irakern finden, zumal die Bevölkerung selbst das Ziel der meisten Anschläge ist. Die klassische terroristische Taktik: Die Situation soll so unerträglich werden, dass sich die Bevölkerung massenhaft gegen die Machthaber auflehnt. Irgendwann wird auch die Mehrheit der Iraker die Amerikaner für ihre Lebenssituation verantwortlich machen. Die wissen also, dass ihnen nicht unbegrenzt Zeit bleibt, das Blatt zu wenden.

Das Hauptproblem der Amerikaner ist, dass sie nicht genug über Land und Leute wissen. Deshalb sollen nun mehr Iraker schneller zu Sicherheitskräften ausgebildet werden. Schon wird diskutiert, irakische Offiziere der mittleren Kommandoebene zu reaktivieren, um mit deren Hilfe ganze Kompanien und Bataillone wiederherzustellen. Ein Eingeständnis, dass der US-Verwalter Paul Bremer einen Fehler begangen hat, als er die eine halbe Million Mann starke irakische Armee aufgelöst und somit ein Reservoir unzufriedener junger Männer geschaffen hat.

In Washington und Bagdad wird hektisch nach Lösungen gesucht. Der dritte Golfkrieg wird aber letztlich darüber entschieden, ob die Amerikaner genug Geduld und Standhaftigkeit mitbringen, das Irak-Abenteuer zu einem guten Ende zu führen.

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