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Meinung: Alle für eine

Angela Merkel hat sich ihre Fraktionsspitze zusammengebaut – mehr klug als mutig

Nationaltrainer, Bundeskanzler und Oppositionsführer verwenden mit gutem Grund Mühe auf die Mannschaftsaufstellung. Manches Spiel ist so vor dem Anpfiff entschieden worden. Die Regierungsmannschaft Gerhard Schröders steht, die Mannschaft der Union unter Angela Merkel steht auch. Steht sie gut?

Zwei Bemerkungen vorab. Die eine betrifft Sinn und Zweck einer Opposition. Die populäre Idee, das seien halt die, die im Parlament dagegen sind, stimmt ja nicht. Sie müssen zumindest so intelligent dagegen sein, dass sie sich als Alternative empfehlen. Sie müssen dazu ein stimmiges Bild abgeben.

Die zweite Vorbemerkung betrifft die Grenzen der Gestaltungsmacht. Zu den zähesten Mythen der Politik-Betrachtung zählt der Glaube, die Opposition sei die Gelegenheit zur Erneuerung. Wäre es so, wäre das Urteil über Merkels Tableau rasch gefällt, denn es besteht in der Spitze aus alten Bekannten. Neue Gesichter tauchen erst auf der Ebene der Fachgruppen-Sprecher auf, deren Wirkungskreis meist hundert Meter hinter dem Reichstag endet. Wenig Aufbruch also auf den ersten Blick. Doch selbst Merkels starker Vor-Vorgänger Wolfgang Schäuble hat die ernüchternde Erfahrung machen müssen, dass eine Regierungsfraktion mit harter Hand regiert werden kann, eine Oppositionsfraktion bestenfalls mit geschickter geleitet. Wenn da etwas herrscht, dann der Proporz.

Merkels Personal-Mixtur zeugt von diesen Bedingungen. Ein Beispiel ist Klaus Lippold, Vize-Fraktionschef für Umwelt, wenig auffällig, aber Hesse. Mit Roland Koch anlegen, und sei es indirekt, mochte sich Merkel nicht. Zwischen den zweien, die wohl die Kanzlerkandidatur der Union 2006 unter sich ausmachen, herrscht Zweckfrieden. Kein böses Wort über den anderen, kein Wort über Ambitionen, jeder tätig für den Erfolg der Union – um ihn einmal als den eigenen darzustellen.

Was aber, jenseits des Proporzes, signalisiert Merkels Aufstellung? Sie ist, erstens, ein Friedensangebot an alle, die die CDU-Chefin nur zähneknirschend in die formale Pole-Position für 2006 gewählt haben. Sie ist, zweitens, das Eingeständnis, wie dünn gesät auf manchen Gebieten die Fachkompetenz in der Unionsfraktion ist. Sie ist, drittens und fußballerisch gesprochen, eher teutonisch auf Sicherheit gebaut als mediterran auf Bereitschaft zum Risiko. Viertens aber enthält sie eingebaute Spannungspunkte und Widersprüche. Namen machen das deutlich. Wolfgang Schäuble ist selbst vielen in seiner Fraktion zu sehr von gestern. Aber wer wollte sonst einem Joschka Fischer Paroli bieten? Katherina Reiche ist von der Familien-Ministerin in spe in Edmund Stoibers Kompetenzteam zur forschungspolitischen Sprecherin mutiert, während für Frauen und Familie wie bisher die Frauen Böhmer (CDU)und Eichhorn (CSU) stehen sollen. Symbolisch ist das zu 100 Prozent eine falsche Entscheidung, wenn nicht zu 200 Prozent nach Merkels Reden, die CDU müsse ihr Modernitätsdefizit bei jungen Frauen und Städtern beheben. In der Sache ist es womöglich trotzdem richtig, Reiche nicht ganz nach vorne zu schieben.

Die interessanteste Konstellation dürfte eine andere werden. Die aus Friedrich Merz, Karl-Josef Laumann und Dagmar Wöhrl. Die drei sollen – Merz als Super-Vize, Laumann als Sprecher und Wöhrl als Zweitsprecherin – das Gegengewicht zu Superminister Clement bilden. In der Theorie ist das eine raffinierte Kombination gegen den Bosse-Genossen aus Düsseldorf: Der neoliberale Konservative, der Sozialpolitiker und die CSU–Mittelständlerin. In der Praxis könnten sie das wirtschafts- und sozialpolitische Profil der Union verschwimmen lassen. „Was ihr wollt“ ist ein gutes Theaterstück, aber ein schlechtes Motto für die zentrale Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition.

Ist die Union also gut aufgestellt? Sagen wir mal so: Gegen den schwachen Gegner von heute lässt sich mit dieser Mannschaft solide spielen. Ein unvermittelt starker könnte sie rasch alt aussehen lassen.

Robert Birnbaum

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